Wenn Günter Netzer in seiner Heimat Mönchengladbach weilt, wählt er immer dasselbe Hotel. "Und von da aus schaue ich dann auf meinen alten Platz, die Ernst-Reuter-Anlage des 1. FC. Das ist immer eine schöne Erinnerung", erzählte Netzer einmal der
Rheinischen Post. Der Mann weiß, was sich gehört.
Netzer zahlt noch immer
Tatsächlich ist der 1. FC Mönchengladbach "der einzige Fußballclub, in dem ich heute noch zahlendes Mitglied bin", sagte Netzer damals. Als Neunjähriger hatten Schulfreunde ihn zum FC gelockt, viele Fotos aus dieser Zeit gibt es leider nicht mehr. Erst zehn Jahre später wechselte Netzer zur Borussia. Der Rest ist Geschichte.
Apropos Geschichte: Über das "1. FC" in Vereinsnamen ließe sich trefflich erzählen und auch streiten, sehr zu empfehlen ist der Beitrag auf vereinsnamen.de. Der älteste Verein der jeweiligen Stadt ist jedenfalls schon lange nicht mehr gemeint, siehe Köln. Beim 1894 (!) gegründeten 1. FC Mönchengladbach hat dagegen alles seine Ordnung, der Klub ist sogar der älteste noch bestehende Fußballverein im Westdeutschen Fußballverband.
Fußball-Pioniere aus MG
Gegründet wurde der Klub durch den Sportlehrer H. C. Heesch, dessen Vornamen lustigerweise nicht überliefert sind. Heesch war bis 1906 auch Geschäftsführer des Westdeutschen Fußballverbandes (WFV), was unterstreicht, dass Mönchengladbach zumindest im Westen eine Pionierrolle einnahm. Als im November 1900 der Rheinisch-Westfälische Spiel-Verband gegründet wurde, aus dem später der WFV hervorging, kamen gleich vier der 14 anwesenden Vereine aus München-Gladbach, wie die Stadt damals noch hieß. Und die Borussia war da noch gar nicht dabei.
Der FC München-Gladbach war in der Stadt die Nummer eins, wurde 1909 Westdeutscher Meister und scheiterte im DM-Viertelfinale an Phönix Karlsruhe. Der folgende Abstieg war schleichend, zumindest die 20.000 Zuschauer fassende Kampfbahn am Alten Wasserturm blieb aber noch bestehen.
Der Wasserturm steht noch
Auch Günter Netzer kickte hier noch. Erst 1957 zog der Klub in die neue Ernst-Reuter-Sportanlage um, die nur einen Steinwurf entfernt ist und in der der 1. FC bis heute kickt. An das alte Stadion erinnert leider nur noch der unter Denkmalschutz stehende Alte Wasserturm, der auch auf einem großartigen Foto eines DM-Endrundenspiels aus dem Jahr 1912 (!) zu sehen ist, das sich u.a. im Buch "100 Jahre Fußball im Westen" findet. (Zur Info: Das Wasserturm-Foto auf dieser Seite zeigt den benachbarten Platz von Blau-Weiß Meer).
Die Vergangenheit ist also schillernd, die Gegenwart eher weniger. In der Saison
2015/2016 spielte der 1. FC immerhin in der Oberliga gegen Wuppertal und Uerdingen, stieg aber sofort wieder in die gewohnte Landesliga ab. Die A-Junioren hielten sich von 2014 bis 2016 sogar in der Bundesliga West. Ganz in der Versenkung verschwunden ist der Klub also noch nicht.
Ein Hügel, das war's
Schade einzig, dass die Ernst-Reuter-Sportanlage ziemlich wenig hergibt. Gekickt wird inzwischen regelmäßig auf dem Kunstrasenplatz, der abgesehen von einem Hügel auf einer Seite nichts Erwähnenswertes zu bieten hat. Schade. Schade auch, dass nicht auf dem tiefer gelegenen Naturrasen gespielt wird, obwohl er in prächtigstem Grün erstrahlt. Dort gibt es auch drei Stufen - die aber gesperrt sind - sowie das Klubheim, dessen Finanzierung ein gewisser Günter Netzer einst mit einem Benefizspiel gegen Franz Beckenbauer und Co. am Bökelberg entscheidend unterstützte. Nun ja.
Das heutige Spiel bei Temperaturen von 27 Grad wollen etwa 80 Zuschauer sehen, nicht wenige davon drücken dem von Bekim Kastrati trainierten Gast die Daumen. Die sechs Euro Eintritt werden während der Begegnung kassiert, die recht unterhaltsam ist. Am Ende ist es ein Elfmetertor, das dem 1. FC den etwas glücklichen Heimsieg beschert. Vielleicht hat ja Günter Netzer aus seinem Hotelzimmer zugeschaut.