Hercules Alicante - La Nucia 0:0 (Segunda Division RFEF, 31.10.2021)

Estadio Jose Rico Perez von Hercules Alicante

Dieses fette Logo. Der leicht seltsame Name. Die tragische Geschichte. Das großartige Stadion. Was genau die Faszination an Hercules Alicante ausmacht, ist schwer zu sagen. Fest steht aber: Hercules hat es geschafft, in kürzester Zeit ein ganz klein bisschen mein Herz zu erobern.

Estadio Jose Rico Perez
Vielleicht war es aber auch dieser eine Moment zehn Minuten vor Anstoß, als eine alte Oma mit Krückstock ganz alleine, Stufe für Stufe, den Aufgang zur Fankurve meisterte - natürlich im Trikot und mit Schal. Wie gerne hätte ich die Szene festgehalten, aber es hätte wohl besserer Spanisch-Kenntnisse bedurft, um nicht wie ein Trottel dazustehen. So bleibt dieses großartige Bild nur in meinem Kopf.

Terrasse auf dem Dach der Welt

Und dann ist da eben die Heimat von Hercules. Wer vom hoch oben gelegenen Castillo de Santa Barbara gen Westen schaut, sieht das Estadio Jose Rico Perez schon in seiner ebenfalls recht exponierten Lage auf dem Monte Tossal. Vor allem die erst nachträglich aufgestockte Tribüne mit dem wunderschönenen Namen "Grada Mundial del Tejero" (Terrasse auf dem Dach der Welt) ist kaum zu übersehen.

Schon einen Tag vor dem Kick umkreisten wir das Stadion aus Neugier und staunten nicht schlecht, dass direkt neben den Kassenhäuschen mehrere Obdachlose ihre Matratzen ausgebreitet hatten. Auch auf dem benachbarten Parkplatz hatte der eine oder andere Passant schon ein Morgen-Bier in der Hand, das Stadion steht nicht gerade in der besten Gegend der Stadt. Aber soll es nicht genau so sein? Gehört Fußball nicht genau hierhin statt neben Shoppingmalls im sterilen Vorort?

Estadio Hercules CF
Huracan Alicante

Kein Zweifel also: Auch Alicante leidet unter den wirtschaftlichen Problemen des Landes. Wie passend, dass der heimische Fußballklub einen ähnlichen Absturz erlebt hat. Noch vor zehn Jahren mischte Hercules mit Stars wie David Trezeguet die Primera Division auf, gewann 2:0 in Barcelona. Seit wenigen Monaten ist Hercules dagegen erstmals in seiner Geschichte in der Viertklassigkeit angekommen. Bitter.

Geblieben ist das 1974 eröffnete Stadion mit seinem Fassungsvermögen von fast 30.000, das viel zu groß, aber wunderschön ist. Auch die zwei Stöcke gegenüber dem "Dach der Welt" verströmen eine Wucht, und sogar die etwas konkave und hohe Nordseite hinter dem Tor hat ihren Reiz, der durch die ausschließlich in Blau und Weiß gehaltene Werbung noch verstärkt wird. Weil zudem die Sonne brennt und wir in kurzen Hosen auf den Sitzschalen lümmeln, könnte das Ganze irgendwie auch in Süditalien stehen. Oder, auch wenn das natürlich an Gotteslästerung grenzt, passend zur Sprache in Buenos Aires. Quasi Huracan Alicante statt Hercules. Na gut, vielleicht gehen gerade auch einfach die Gäule mit mir durch.

Estadio Jose Rico Perez
Viel Platz in der Curva Sur

Gekommen sind immerhin 5000 Zuschauer - der beste Besuch der Saison, auch weil jeder Daukerkartenbesitzer zwei Personen kostenlos mit ins Stadion nehmen durfte. Im in einer Ecke gelegenen Fanblock bietet sich dennoch ein überschaubares Bild: Die Curva Sur, von der es in der Vergangenheit durchaus gute Aktionen gab, ist auf einen Haufen Aufrechter geschrumpft, die tapfer singen und ihre Fahnen in den Wind halten. Ein paar sehenswerte Graffiti im Umlauf beweisen ebenfalls, dass hier mal wesentlich mehr ging.

Die Gäste aus dem 50 Kilometer entfernten La Nucia haben nur eine Handvoll Unterstützer mitgebracht, dabei führt ihr Team derzeit sogar die Tabelle an - fünf Punkte vor Hercules. Der Wiederaufstieg wird also kein Selbstläufer. Das zeigt auch das Spiel: Als La Nucia nach wenigen Minuten einen Spieler mit Roter Karte verliert, hat Hercules plötzlich alle Karten in der Hand - und versucht 85 Minuten lang vergeblich, ein Tor zu erzielen. Auch das letzte Spiel der Tour endet somit spielerisch mit einer Enttäuschung - irgendwie hatte ich Spanien besser in Erinnerung.

Für uns geht es nach Spielende den Monte Tossal hinab Richtung Innenstadt, um noch ein üppiges Mahl und ein Abschlussbier am Meer einzunehmen. Am Montag klingelt dann schon um 3.30 Uhr mein Wecker, um den frühen Rückflug zu erwischen - während Andre und Daniel mit dem Zug weiter nach Valencia düsen, um am Abend Levante zu besuchen. Die Glücklichen. Egal, das Wochenende war auch so großartig.

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