Serbien - Polen 2:2 (EM-Qualifikation, 21.11.07)

Das Marakana in Belgrad

Wenn sich kurz vor der Landung der Pilot mit dem Satz "Ich habe eine schlechte Nachricht für Sie" meldet, ist das meist ein schlechtes Zeichen. In der Regel folgen dann Sätze wie "Ich habe den Steuerknüppel aus der Verankerung gerissen", "Meine Co-Pilotin hat zwei Stunden lang die Karte auf dem Kopf gehalten" oder aber "Wir können unseren Zielflughafen leider nicht anfliegen". Letzteres Schicksal ereilte mich nun binnen kürzerer Zeit zum zweiten Mal: "Wegen Nebels ist der Flughafen in Belgrad leider gesperrt", verkündete Pit Cock, als wäre es das normalste der Welt: "Stattdessen fliegen wir nach" ... (Hochspannung im Flieger) ... "einen Moment" ... (ein echter Dramatiker, der Mann) .... "Zagreb!"

Polnisches Intro Auf den letzten Drücker

Und so begann wieder einmal der Wettlauf gegen die Uhr. Um 14 Uhr startete der Lufthansa-Ersatz-Bus, etwa fünf Stunden Fahrzeit, 20.45 Anpfiff - das müsste doch zu schaffen sein. MÜSSTE - wäre da nicht
a) der tatsächlich immer dichter werdende Nebel
b) eine 20-minütige Pause an einer Tankstelle (bei der ich demonstrativ sitzen geblieben bin, sind ja nicht zum Spaß hier), sowie
c) die kroatisch-serbische Grenze, die noch einmal endlose 30 Minuten in Anspruch nahm. Aaaaaaah!!!

Um Punkt 20 Uhr erreichten wir endlich den Belgrader Flugafen, in Windeseile Geld getauscht, das erste Taxi geschnappt und ab dafür. "Marakana, please" - "What?" - "Ääh...Marakana?" - "Hä?" - "Marakana! Football!" - "Ah! Marrrrrrakana!". Ja, im Serbischen kommt es auf die Feinheiten an... Was soll ich sagen? Um 20.29 Uhr betrat ich glücklich das weite Rund, der Nebel hatte sich auch gelichtet - Oh, Hoppergott, ich danke dir!

Zu sehen gab es das EM-Qualifikationsspiel zwischen Serbien und Polen. Leider fehlte der besondere Reiz: Während die Gäste bereits als Gruppensieger feststanden, hatten die Hausherren nur noch minimale Chancen. Selbst die eigenen Fans glaubten wohl nicht mehr an ihr Team: Offiziell 2000 Zuschauer verirrten sich in der riesigen Schüssel, über die Hälfte davon zudem aus Polen. Letztere boten mit ihren zehn Bengalen zum Intro nicht nur etwas für Auge, sondern hatten über 90 Minuten auch stimmlich einiges zu bieten. Eine echtes Heimspiel also für Polen, und so trat die Elf dann auch auf: Nach 50 Minuten stand es 0:2. Wie aus dem Nichts kam daher der serbische Doppelschlag (68./70.) zum 2:2, was zum Erhalt der letzten EM-Chance aber noch nicht reichte. So drückten die Serben - übrigens ohne Marko Pantelic, aber mit Mladen Krstajic - in der Schlussphase gehörig, letztlich jedoch ohne Erfolg. Das Team von Javier Clemente muss einmal mehr bei einem großen Turnier daheim bleiben.

Die riesige Anzeigetafel im Markana in Belgrad Gladbacher Sternstunde vor 95.000 Zuschauern

Das Stadion Marakana - korrekt "Crvena Zvezda", also "Roter Stern" - gehört wahrlich zu den beeindruckenden Vertretern seiner Zunft. Zwar hat es, besonders äußerlich, seine besten Tage längst hinter sich, doch alleine die Dimensionen sprechen für sich. Das einstige Fassungsvermögen von 95.000 (andere Quellen sprechen gar von 110.000) verhalf der Schüssel einst zum namentlichen Vergleich mit dem großen Bruder in Rio, und seit seiner Einweihung 1963 hat das Marakana einige große Spiele gesehen. Die unzähligen Derbys zwischen Roter Stern und Partizan natürlich, aber auch das EM-Finale 1976 (ihr wisst schon: Hoeneß, Himmel, Belgrad).

Und dann war da natürlich noch der 9. Mai 1979, als die ruhmreiche Borussia aus Mönchengladbach eben hier eine ihrer letzten Sternstunden erlebte. Vor 95.000 Zuschauern holte der VfL im Hinspiel des UEFA-Pokal-Finales bei Roter Stern ein 1:1. Das Remis bedeutete die Grundlage zum Triumph zwei Wochen später - als erste und bis heute einzige deutsche Mannschaft gewannen die Fohlen zum zweiten Mal den UEFA-Pokal.

Genug geträumt, zurück in die Gegenwart. Heute fasst das Marakana "nur" noch 51.538 Zuschauer, die allesamt sitzen müssen. Richtig voll wird es nur bei den Derbys, und selbst die waren zuletzt nicht immer ausverkauft. Im serbischen Liga-Alltag herrscht derweil Tristesse - zu unattraktiv ist nicht nur in Serbien die nationale Liga nach dem Zerfall des ehemaligen Jugoslawien geworden. Eine ahnliche Entwicklung also wie bei der Nationalmannschaft, die auf dem Weg zur Weltspitze war und 1991 durch den Krieg gestoppt wurde. Einzig Kroatien kann heute international noch mithalten, der Rest hat den Anschluss verloren. Siehe Serbien.

Marko Pantelic durfte nicht auflaufen Polnisches Intro Bombenschäden erinnern noch heute an den Krieg