Deutschland - Kolumbien 3:0 (Testspiel, 2.6.06)

Fahnenmeer a la 1990 Ich schäme mich ein wenig. Da höre ich seit Wochen, dass diese WM nicht die WM der Fans sein würde. Da lehren mich Fanzines, dass die WM "uns nicht die Bohne interessiert". Da liest man im Internet, wie jeder halbwegs aktive Fan das Turnier mit Kritik überschüttet. Und jetzt das: Ich freu mich auf die WM!

"Aber die ganze Repressalien!", höre ich die Fans rufen. Ja, stimmt, der Bundesliga-Alltag macht immer weniger Spaß. "Und die teuren Karten!". Ja, ich habe auch keine. "Und der Kommerz!". Absolut, und ich unterstütze jeden Protest gegen Blatter und Co. Alles richtige und vor allem notwendige Einwände.

Aber soll ich deswegen die WM ignorieren? Soll ich ein Turnier verfluchen, bei dem ich schon als kleines Kind vor dem Fernseher mitfieberte? Soll ich das Gerät auslassen, während die besten Fußballer der Welt gegeneinander antreten? Und die Welt in unserem Land zu Gast ist und den Kopf über uns schüttelt? Kann ich mich nicht einfach einmal - völlig "undeutsch" - auf etwas FREUEN? Ganz ehrlich: Wer sich die WM-Begeisterung vermiesen lässt, ist selber schuld.

Ein Stadion ganz in Weiß

Die Welt zu Gast in MönchengladbachDie letzten Reserven der Vorfreude weckte der letzte WM-Test gegen Kolumbien in Mönchengladbach. 45.000 Zuschauer, Fans der verschiedensten Vereine, aber alle in Deutschland-Weiß gekleidet, bewiesen der Klinsmann-Elf ihre volle Unterstützung. Die etwa 800 Kolumbianer feierten trotz der Niederlage gemeinsam mit den Deutschen. Auf dem Feld spielte eine DFB-Elf, die zweifellos eine der sympathischsten seit langem ist und als Krönung noch zwei Mönchengladbacher beinhaltet. Eins rundum gelungener Tag. Ja, die WM kann kommen.

Vielleicht täte den Deutschen ein wenig der südländischen Begeisterung gut, die die Kolumbianer vor und im Stadion lebten. Vielleicht sollte sich jeder ein Beispiel an den Portugiesen nehmen, die vor zwei Jahren die EM zu einer fröhlichen Feier ohne Ende machten. Vielleicht kann sich Deutschland entgegen seiner Vorurteile doch als sympathischer Gastgeber und weltoffenes Land präsentieren, was dem Ruf sicher nicht schaden würde. Vielleicht sollte man sich einfach einmal vier Wochen über ein außergewöhnliches Ereignis direkt vor unserer Haustüre freuen.
Der Bundesliga-Alltag kommt früh genug zurück.