Die 90-Stunden-Zugfahrt nach
Nowosibirsk noch in den Knochen, der nächste lange Bahntrip bereits in Sichtweite: Für die zweite Etappe der Asientour entschieden wir uns dann doch für das Flugzeug. Das spart Zeit und am Ende sogar Geld: Für 130 Euro brachte Siberia Airlines uns nach Almaty.
Zumindest Nerven kostet so ein Trip dann aber doch. Denn dass in Sibirien kaum Englisch gesprochen wird, mag man ja noch akzeptieren. Warum aber am internationalen Terminal des einzigen Flughafens nicht ein einziger Zöllner sitzt, der zumindest zwei bis drei für seinen Job wichtige Vokabeln drauf hat - man muss es nicht verstehen. Halleluja, war das ein Akt... Indes: Als wir zwei Stunden später bei strahlendem Sonnenschein in Kasachstan landeten, war aller Ärger wie verflogen.
Die Taxi-Mafia besiegt. Fast.
Bis die örtliche Taxi-Mafia uns erblickte. Wie ich es hasse, wenn diese Verbrecher einem weismachen wollen, dass an der Bushaltestelle keine Busse abfahren. Und wie ich es hasse, wenn sie am Ende recht behalten... Also trotzig zur nächsten großen Straße gekämpft und nach langem Fragen doch noch einen Linienbus gefunden - der die Fremden sogar ohne Bezahlung mitnahm. Ha, geht doch! Dass wir an der falschen Haltestelle ausstiegen, uns völlig verliefen und letztlich doch ein überteuertes Taxi nehmen mussten, kehren wir schnell unter den Teppich...
Almaty also, die alte Hauptstadt Kasachstans. Nicht so modern wie Astana, dafür aber mit Charme. Mit den stolzen 5000ern vor der Haustür, den engen Gassen und repräsentativen Bauwerken wusste die "Stadt der Äpfel" uns dann auch drei Tage lang zu gefallen.
Marode Spielstätte im Herzen der Stadt
Seine Vormachtstellung abgegeben hat Almaty inzwischen auch im Fußball: Nur noch ein Erstligist (Kairat) kickt in der Millionen-Metropole, dafür aber ein Haufen Zweitligisten. Dazu gehört auch der FK Ile-Saulet aus dem Vorort Otegan-Batyr, 2006 gegründet und derzeit mit Aufstiegsambitionen. Vielleicht liegt darin auch der Stadion-Wechsel begründet, der uns beinahe kalt erwischt hätte: Aktuell spielt Ile-Saulet nicht mehr im gesichtslosen "Football Land" im Norden der Stadt, sondern im zentralen Dinamo-Stadion - was uns bei einem letzten Check am Morgen zum Glück noch auffiel.
Informationen über das Dinamo-Stadion gibt es leider kaum. Ein paar Jahre hat die marode Spielstätte jedenfalls schon auf dem Buckel, an vielen Ecken rostet das Stadion vor sich hin, das Flutlicht hat auch schon bessere Zeiten erlebt. Immerhin scheinen die Sitzschalen der Haupttribüne recht neu, finden sich auf älteren Fotos doch noch Holzbänke. Weitere Plätze zum Verweilen gibt es leider nicht, das offizielle Fassungsvermögen von 8000 dürfte somit etwas hoch gegriffen sein.
Viele Uniformen und ein Verwirrter
200 Zuschauer sind gekommen, um die Begegnung gegen den zweimaligen Vizemeister aus dem 1400 Kilometer entfernten Petropawl zu sehen. Ähnlich hoch dürfte die Zahl der Uniformträger sein, die 90 Minuten lang mit dem Rücken zum Spielfeld stramm stehen und sich ab und an vom resoluten Chef den Kragen richten lassen müssen. Ohje. Stimmung gibt es keine, einzig der bizarre Auftritt eines offenbar Verwirrten in kasachischer Tracht (?) sorgt in der zweiten Halbzeit für Erheiterung. Nach zweiminütiger Moralpredigt mit erhobenem Stock verschwindet er jedoch so schnell, wie er gekommen ist.
Ohnehin scheint sich ein Großteil der Anwesenden nur wenig für das Spiel zu interessieren. Hinter einem Tor spielen ein paar Jugendliche lieber Hockey, zwei Judoka finden sich auch ein, und in einer Ecke des Stadions übt eine Schulklasse gar am Schießstand. Verrückt. Sie alle verpassen eine einseitige Begegnung auf niedrigem Niveau, in der die Hausherren erst in der 79. Minute zum Siegteffer kommen. Durch den Spielertunnel geht es für uns nach Schlusspfiff wieder hinaus aus dem Stadion. Im Gepäck, der Hinweis sei mir verziehen, der letzte noch fehlende UEFA-Länderpunkt.
Zwei Tage später hieß es dann: Zurück auf die Schiene. Ziel: Die Stadt, deren "mystischer Klang" laut Lonely Planet nur mit Atlantis zu vergleichen ist: Samarkand.