Wie heißt es doch so schön in unser aller Lieblingslied:
Wenn dich einer fragt, woher du kommst,
dann sag; Borussia
und er wird dich lächelnd ansehen
denn die Antwort ist dann klar
Der feine Unterschied
Nun, die ganze Wahrheit ist das leider nicht, 16 Jahre Europa-Abstinenz haben eben doch ihre Spuren hinterlassen. Das fing schon nach der Auslosung an, als auf der Stadionseite von Dynamo das BVB-Logo unter unserem Namen zu sehen war (s.u.). Und fand eine unterhaltsame Fortsetzung im Bustransfer vom Flughafen in Kiews Innenstadt, für den sich unsere Reisebegleitung, eine junge Ukrainerin, zum Zeitvertreib ein kleines Quiz ausgedacht hatte. Und das ging so:
Karina (am Busmikrofon, topmotiviert): "Fangen wir mit was leichtem an: In welchem Jahr wurde Borussia gegründet?"
Der Bus (gelangweilt): "1900!"
Karina: "Nee, nicht ganz"
Bus (verwirrt): "1900! 1-9-0-0"
Karina (auftrumpfend): "Ihr seid ganz nah dran. Aber ich löse auf: Borussia wurde im Dezember 1909 gegründet"
Es folgten zwei Sekunden Stille, ehe der Bus für drei Minuten in schallendes Gelächter ausbrach. Kommentar von Karina, als sie endlich aufgeklärt wurde: "Und ich hab mich schon gewundert, warum ihr alle Grün tragt." Herrlich. Ihr Zettel (s. Foto) mit den weiteren Fragen wurde selbstverständlich vom Fanprojekt konfisziert :-)
Fast 2000 Gladbach-Fans im "Olimpijskyj"
Mönchengladbach in Europa - daran muss man sich eben erst wieder gewöhnen. Uns eingeschlossen. Das Gefühl am Mittwochmorgen am Gladbacher Bahnhof unterschied sich jedenfalls nicht wesentlich von einer Reise nach, sagen wir, Freiburg. Erst als im Zug Richtung Flughafen immer mehr Grün-Weiße hinzustießen und in Düsseldorf schließlich eine ganze Meute die Halle bevölkerte, kam Europapokal-Atmosphäre auf. 600 Fans in vier Charter-Flügen, insgesamt fast 2000 Gladbacher an einem Mittwochabend in der Ukraine - ich denke, das kann sich sehen lassen.
Im Flugzeug wurde zunächst eine Borussia-Fahne an die Decke gehängt, und als kurz vor dem Start im Heck ein "Erste Runde Bukarest..." angestimmt wurde, war es Zeit für die erste Gänsehaut. Wie oft schon gesungen, nun endlich Realität! 2:20 Stunden später war Kiew erreicht, und in einer Bus-Karawane ging es unter Polizeibegleitung in die Innenstadt. Mit an Bord: Die unglückliche Karina.
Hinein ins Vergnügen
Kiew also. Zwar aus
2008 noch halbwegs bekannt, aber dennoch einen neuerlichen Rundgang wert. Und so verbrachten wir einen äußerst kurzweiligen Nachmittag an Djnepr, den vielen schönen Plätzen und bei gutem Essen. Erst um 20 Uhr (Ortszeit - Anpfiff war um 21.45) liefen wir im Schewtschenko-Park ein, der eigentlichen Anflaufstelle der Borussia-Fans. Leider war die große Fete, bei der auch Rolf Königs vorbeigeschaut haben soll, da bereits vorbei. Also gut, ein Bier und dann hinein ins Stadion.
Das Olympiastadion, oder korrekt "NSK Olimpijskyj", steht seit 1923 unweit des Zentrums, auch wenn nach der jüngsten Renovierung für die EM das Erscheinungsbild natürlich ein völlig anderes ist. Das Fassungsvermögen beträgt zwischen 65.720 (EM) und 70.050 (Liga), die gelben und blauen Sitzschalen kennzeichnen es als Nationalstadion der Ukraine. Trotzdem wird Dynamo hier und nicht etwa im heimischen Dynamo-Stadion vorerst seine Heimspiele austragen. Insgesamt eben eine moderne Arena mit (blauer) Laufbahn, nicht mehr und nicht weniger.
Sehenswerte Choreo
Um 21.42 ertönte dann endlich die Champions-League-Hymne, und ich gebe zu, ein wenig stolz war ich schon, die Borussia endlich in einem Pflichtspiel fernab der Heimat sehen zu dürfen und gegen ein gellendes Pfeifkonzert den Namen unserer Stadt zu schreien. Und auch der Anblick des Gästeblocks machte mich ein wenig stolz. Die altbekannten Nasen, nur diesmal eben nicht in Hamburg, Berlin oder Nürnberg - geil!
Zum Intro gab es im mit 66.862 Zuschauern gefüllten Rund eine große und gelungene blau-weiße Zettel-Choreo der Dynamos, ehe endlich der Ball rollte. Das erhoffte frühe Tor blieb leider aus, und hektisch wurde es erst kurz vor Pause, als Kiew-Fans die "Green Army"-Fahne aus dem Oberrang zockten, während die Ordner zuschauten. Als Folge wurden in der Pause sämtliche Fahnen aus dem Oberrang abgehangen, begleitet vom Austausch diverser Höflichkeiten und ein paar weniger Wurfgegenstände, zu denen später auch Münzen gehörten. Aber, um kein falsches Bild aufkommen zu lassen: Es gab auch nette Kiew-Fans, die Gladbacher mit Schals beschenkten oder nach Schlusspfiff dem Gästeblock Applaus spendeten.
Der Traum vom Wunder
Und als gerade alle sich mit dem 0:0 abgefunden hatten und auf das Hinspiel schimpften, ging es plötzlich los. 70. Minute 1:0, 78. Minute 2:0. Ups, was passiert denn hier gerade? 15 Minuten lang gaben Spieler und Fans noch einmal alles und lebten den Traum von einem echten Wunder. Doch so weit kam es nicht. Es wäre auch zu schön gewesen.
Und damit war das Abenteuer Champions League vorbei. Nach 30-minütiger Blocksperre ging es zurück zu den Bussen und ab zum Flughafen, wo um 4.10 Uhr die Maschine gen Düsseldorf startete, diesmal mit müden und erschöpften Borussen an Bord. Kurz nach 7 Uhr deutscher Zeit hatte mich der Gladbacher Bahnhof wieder - fast so, als wäre ich nur in Freiburg gewesen.
Was bleibt: Die Borussia und auch ihre Fans haben eine glänzende Visitenkarte hinterlassen. Und vielleicht auch einen bleibenden Eindruck. Keine Frage: Zumindest in Kiew wird man uns so schnell nicht mehr mit irgendwelchen westfälischen Kopien verwechseln.