Eigentlich ist Gibraltar nur ein Fels in der Brandung - wäre da nicht diese strategisch äußerst bedeutsame Lage am Treffpunkt von Mittelmeer und Atlantik. Und so verteidigen die Briten nun schon seit 1704 die kleine Halbinsel, mit Spätfolgen auch für den Fußball: Im Mai 2013 wurde Gibraltar nach langem Hickhack in die UEFA aufgenommen.
Hatte ich bisher einen Bogen um Gibraltar gemacht, führte nun früher oder später also kein Weg an einer Reise in den Süden der iberischen Halbinsel vorbei. Über Weeze ging es zu zweit nach Malaga und von dort auf direktem Wege nach Gibraltar. Einmal schnell den Flughafen überquert, Höhle, Tunnel und Affen begutachtet, dann hieß es auch schon: Ab zum Fußball.
"Wer kann am Freitag spielen?"
Praktisch jede Begegnung in Gibraltar wird im Victoria Stadium ausgetragen, das unmittelbar hinter der Grenze zu Spanien seine Flutlichtmasten in den Himmel streckt. Das Nationalstadion liege auf "umstrittenen Gebiet", befand die UEFA noch im Jar 2007 und begründete so die erneute Ablehnung des Mitgliedsantrages der "letzten britischen Kolonie in Europa".
Heute stand eine Partie der Division 2 an: Brunos Magpies gegen Pegasus College. Das klingt nicht nur nach reinstem Amateurfußball, das ist es auch. Was für ein Spaß es doch war, in den Tagen vor dem Spiel auf der Facebook-Seite der Gastgeber mitzulesen. "Wer kann am Freitag, wir spielen um 20 Uhr?", fragte da der Trainer, und erhielt Antworten wie "Bin am Wochenende leider nicht im Land" oder "Bin noch gesperrt". Herrlich.
Platz für jeden sechsten "Gibraltareno"
Elf Mann fanden sich am Ende dann doch auf beiden Seiten, und damit standen auf dem Rasen fast so viele Zuschauer wie auf der Tribüne: Exakt 26 Zuschauer zählten wir, den Hund nicht mitgerechnet. Dass die Qualität des Gebotenen, nun ja, zu wünschen übrig ließ, muss wohl nicht erwähnt werden. Dennoch war die Partie recht kurzweilig, und die so oft gestellt Frage, ob man selber bei dem Geschehen mithalten könnte, war gar nicht so einfach zu beantworten.
Das 1949 eröffnete Victoria Stadium fasst immerhin 5000 Zuschauer und damit ein Sechstel der Bevölkerung Gibraltars. Die Haupttribüne und die Stufen auf der Gegengerade sind gar nicht mal so schlecht, die Tage als Nationalstadion sind dennoch gezählt: Bis 2016 soll am Südzipfel Gibraltars das "Europa Point Stadium" für 10.000 Zuschauer fertig sein, um auch große Fußball-Nationen in der WM-Qualifikation empfangen zu können. Spanien wird übrigens nicht dazu gehören. Der Nachbar, der sich jahrelang gegen eine Aufnahme Gibraltars in die UEFA wehrte, und sein kleiner Wurmfortsatz dürfen laut UEFA-Reglement nicht aufeinander treffen.
Namensgeberin: Victoria Canepa
Benannt ist das Stadion übrigens nicht nach irgendeiner Königin, sondern nach Victoria Canepa, der Ehefrau von John Mackintosh. Der war, wer wüsste es nicht, ein Philantrop, nach dem heute unter anderem der wichtigste Platz des Landes benannt ist.
Für uns ging es nach Schlusspfiff wieder zu Fuß nach Spanien, um am nächsten Morgen die Strecke nach Granada zu absolvieren.