Lyra TSV - RC Hades 1:2 (Vierde Klasse, 4.5.2014)

Das Lyrastadion in Lier

Abschied nehmen heißt es heute beim belgischen Traditionsklub Lyra TSV: Nach 102 Jahren steht im altehrwürdigen Lyrastadion das letzte Spiel an. Zeit also für große, pathetische, einfach schöne Worte.

Afscheid van het Lyrastadion
"Wir nehmen heute Abschied vom heiligen Boden, auf dem unser geliebter Klub mehr als 100 Jahre gespielt hat. Es wird schmerzen, und es werden einige Tränen fließen", heißt es schon im Vorwort des Stadionheftes. Ein paar Seiten später darf Uralt-Fan Silvain Vergauwen (85) schwärmen: "80 Jahre lang war ich hier zu Hause. Wo findet man heute noch so ein Stadion direkt im Stadtzentrum?"

"Eines der ältesten Bauwerke der belgischen Fußballgeschichte"

Das Lyrastadion ist in der Tat ein kleiner Diamant. Im Schatten des großen Nachbarn Lierse SK kickt hier der TSV Lyra derzeit in der 4. Liga und hält so seinen kleinen Schatz ein wenig versteckt von der großen Fußball-Welt. Der Schatz, das ist vor allem die alte, wunderschöne Holztribüne, die in wenigen Monaten abgerissen wird. 120 Wohnungen mit 183 Tiefgaragenplätzen entstehen auf dem Gelände.

Tribüne auf 1922
"Damit verschwindet eines der ältesten Bauwerke der belgischen Fußballgeschichte. Die heutige Haupttribüne mit ihren Backsteinen und Holz-Elementen wurde schließlich schon 1922 gebaut, die angrenzenden Stehplätze folgten 1932", sagte Lyra-Sportdirektor Raf Bormans im Vorfeld der Partie und weiß zu berichten: "Fußball-Fans, die auf der Suche nach schönen Stadien sind, Groundhopper, benutzen Superlative, wenn sie über das Lyrastadion sprechen. Die letzten Heimspiele haben Dutzende Fans aus Belgien, den Niederlanden und England besucht.“

The legend is alive and kicking

Tribüne im Lyrastadion
Und heute natürlich auch aus Deutschland. Schon weit vor dem Spiel läuft uns Marius mit einer Abordnung aus Hamburg über den Weg, die extra für diese Begegnung angereist ist. Respekt. Und immer wieder schleichen Fans mit Kamera im Anschlag durch die Sitzreihen, manche ältere übrigens auch darunter, und halten fest, was schon bald Geschichte sein wird.

Eigentlich müsste sogar der ganze Klub schon der Vergangenheit angehören. 1972 nämlich ging der Verein mit der Stamnummer 52 im erwähnten Lierse SK auf - nur um wenige Monate später neu gegründet zu werden, mit der Nummer 7776. Seither kickt der Pokal-Finalist von 1935 (2:3 gegen Daring Club de Bruxelles) meist in der vierten Liga. "The legend is alive and kicking" ist seither das Motto des Klubs.

Gute besuchter Abschied
Alte Tribüne mit 1700 Plätzen

Highlight des 6000 Zuschauer fassenden Stadions ist natürlich die erwähnte Tribüne, unter deren Dach sich schon das Efeu breit macht. Die kleine Ehrenloge, die Holzbänke, die gemauerten Treppenaufgänge - da darf man mal ein wenig nostalgisch werden. In zwei Backsteinen findet sich eine Gravur: Eine erinnert an das Baujahr 1922, eine weitere an den Stadion-Architekten J. van Peborgh.

Etwa 1000 Zuschauer geben dem Lyrastadion heute die letzte Ehre, das Rahmenprogramm mit Buffet in den VIP-Räumen, ehemaligen Spielern und der nicht müde werdenden Blaskapelle "Fanfare Leo XIII" auf dem Rasen beginnt schon um 12 Uhr. Das Spiel ist eher Nebensache, Lyra hat den Klassenerhalt schon in der Vorwoche perfekt gemacht und kann es sich leisten, eine 1:0-Pausenführung noch zu verspielen. Zum Anpfiff gibt es auch ein wenig roten und weißen Rauch von den Fans auf den Stehrängen.

Stehplätze bei Lyra TSV
Als Untermieter nach Berlaar

Auch nach Schlusspfiff weht noch ein wenig Rauch durch das Stadion, das war es dann aber auch. Kein "Time to say goodbye" aus den Lautsprechern, keine weinenden Fans (ok, Silvain Vergauwen vielleicht, den hab ich aber nicht gesehen), nur ein paar Zuschauer bleiben noch ein paar Minuten sitzen und treten dann den Heimweg an.

Wie also geht es weiter mit Lyra? Ein neues Stadion im Viertel "Hoge Velden" soll in zwei, drei Jahren fertig sein, bis dahin nistet sich der Klub beim FC Rita aus Berlaar ein, ein Shuttleservice für die Fans ist geplant. In Berlaar übrigens steht ebenfalls ein recht hübsches Stadion, findet auch Uralt-Fan Silvain: "Wusstet du, dass es dort ringsherum sechs Stufen gibt", fragt er im Stadionheft seinen Interviewpartner und äußert dann noch einen Wunsch:

"Ich hoffe, dass ich Lyra noch einmal in der dritten Liga sehen werde. Denn da gehören wir eigentlich hin."

Es beröckelt bei Lyra  Dach der Haupttribüne  K. Lyra 1909 - 2009