Neue Arenen. Bauen für den Sport.
du 748. Zeitschrift für Kultur. Nr. 6, Juli/August 2004

Neue Arenen. Bauen für den Sport.

Die Zeitschrift du dürfte für den gemeinen Groundhopper bisher eher ein Heft mit sieben Siegeln gewesen sein. Kein Wunder: "Jeden Monat widmet sich unsere Zeitschrift einem Thema der Kultur. Die Folge der Hefte bildet eine faszinierende Enzyklopädie der Gegenwart", heißt es in einer Eigendarstellung der Schweizer.

Nun aber das: Im Mittelpunkt der Ausgabe 748 stehen Sportarenen und die von ihnen ausgehende Faszination. "Die Pläne für neue Stadien interessieren in den Städten nicht nur die Anwohner. Moderne Stadionbauten sind Pilgerorte geworden. Das Interesse an den Sportstätten ist groß, seit Stararchitekten aufgefordert werden, sie zu bauen", heißt es treffend im Vorwort.

"Diese Bauten umgibt etwas Geheimnisvolles"

Um Architektur dreht sich folglich auch der Großteil der Beiträge. Dass damit nicht nur Fußballstadien gemeint sind, macht gleich zum Auftakt der Italiener Ugo Ricarelli deutlich, der über die "magischen Mauern von Flushing Meadows und San Siro" berichtet. "Diese Bauten umgibt etwas Geheimnisvolles und Faszinierendes, etwas, das schon vor den tatsächlich dort stattfindenden Ereignissen imstande ist, Botschaften über die künftigen sportlichen Höchstleistungen auszusenden", schwärmt der Autor. Der freie Journalist Christian Schmidt befasst sich derweil mit der Arena AufSchalke und dem Spagat zwischen Fankultur - mit Unterstützung von Bodo Berg ("Mehr als ein Spiel") - und den Zwängen des modernen Fußballs. Garniert wird das Ganze mit einmaligen Fotos.

Weiter geht es mit einem lohnenden Interview mit dem Schweizer Stararchitekten Jacques Herzog, der unter anderem den St. Jakobs-Park in Basel entwarf und einer der Erbauer der Münchner Allianz Arena ist. Urbanität und Mantelnutzung sind zwei Schlagworte des 55-Jährigen, der die Bedeutung seiner Arenen jedoch zu keinem Zeitpunk überschätzt. "Wenn ein Stadion voll und die Stimmung gut ist, ist die Architektur nicht mehr ausschlaggebend. Aber gute Architektur kann die Stimmung noch verstärken, und das ist natürlich besonders eindrücklich", so Herzog. Das gelungene Gespräch wird abgerundet mit einer Abbildung des Modells des Olympiastadions in Peking - ebenfalls aus der Feder des Büros Herzog und de Meuron.

Sexuelle Ikonografie am Berliner Olympiastadion

Eine der spannendsten Baustellen nimmt sich Ulrike Draesner vor: Das Berliner Olympiastadion. Die freie Autorin spannt dabei den Bogen von den unvermeidlichen Nazis ("Das Reichssportfeld ist die einzige in toto realisierte Grossanlage der Nazizeit") über die Nachkriegszeit ("Die Anlage war ein Provisorium - so wie Westberlin selbst eins sein sollte") bis in die Gegenwart. Den jüngsten Umbau des denkmalgeschützten Stadions bewertet Draesner als mehr als gelungen, insbesondere "das Dach, das fliegen will", hat es ihr angetan. Das Geschehen auf dem Rasen gerät laut Draesner angesichts solcher Bauten fast schon zur Nebensache: "Hauptträger der Inszenierung ist das Stadion, nicht mehr nur Gefäss für den Auftritt, sondern Auftritt selbst". Überraschen kann die Autorin schließlich noch mit einer interessanten Deutung des Gesamtbaus, in dem sie eine "sexuell konnotierte Ikonografie" erkannt haben will. "Das Stadion hat eine schlitzartige, das Oval durchbrechende Öffnung (Marathontor). Wer von Westen kommt, sieht mitten in ihr den Glockenturm aufragen. Wie durchschaubar und auch abstossend in seiner Plakativität ist dies gebaut, denke ich". Aha, denke ich...

Sehenswert ist ebenfalls eine Fotostrecke aus Senegal rund um das Stade Leopold Sedar Senghor sowie Beschreibungen der architektonisch außergewöhnlichen Stadien Lasesarre bei Bilbao ("Stein gewordener Jubel") und dem EM-Stadion in Braga ("Fels und Vogelschwinge"). Zu guter letzt bietet Nadine Olonetzky in einer Art Chronik eine Kulturgeschichte der Sportstätten - vom alten Griechenland über das Kolosseum bis zu den modernen Mehrzweckarenen.
Zumindest erwähnt werden sollten an dieser Stelle die Beiträge, die sich nicht um Fußballstadien drehen. Denn auch wer sich für die Bergisel-Anlage in Innsbruck, die Formel-1-Strecke in Bahrain (entworfen vom Aachener Hermann Tilke) oder die Bogenschießanlage in Barcelona interessiert, ist hier genau richtig.

Fazit: Eine gelungene Hommage an die Architektur von Sportstätten

Preis: 18 Euro. Verlag Niggli (Schweiz), 2004, ISBN: 3-03717-007-7. Mehr Informationen unter dumag.ch