Beijing Guoan - Shanghai IPG 2:1 (China Super League, 14.5.2016)

Arbeiterstadion in Peking

Im Alter wird man ja bescheiden, aber ein neuer Länderpunkt sollte es 2016 dann doch sein. Am Ende gewann Peking das Rennen um meine Gunst, und zwar aus zweierlei Gründen: a) genügend Vereine vorhanden sowie b) genügend Sehenswertes vorhanden

Beijing Guoan, Workers Stadium
Der Plan lautete dann wie folgt: Samstag Beijing Guoan, Sonntag zweite Liga bei Tianjin Quanjian - danach Heimreise für mich, während Mitfahrer Daniel weiter nach Tokio fliegt. Letzteres bedingte auch verschiedene Anreisen: Ich flog über Zürich, landete aber nur eine Stunde vor Daniel (über Amsterdam), sodass die insgesamt fast zwölf Stunden alleine im Flieger zu verschmerzen waren.

Peking-Ente, Tiananmen-Platz, Große Mauer

Also dann: Hinein ins Vergnügen. Stolze 125,45 Euro kostet seit diesem Jahr das China-Visum (ohne Gebühren), immerhin wird dem derart gemelkten Touristen auch etwas geboten. Verbotene Stadt, Tiananmen-Platz, Sommerpalast, Olympiagelände und natürlich die Mauer - doch, das kann schon was. Dazu schien bis auf einen Tag sogar durchgehend die Sonne, auch der berüchtigte Smog verzog sich weitgehend, da will ich doch mal nicht meckern.

Fans von Beijing Guoan
Nach leckeren Speisen (u.a. die unvermeidliche Peking-Ente) und mehreren Foto-Wünschen junger chinesischer Damen mit den blonden Europäern erledigten wir auch das Ticket-Problem schon zwei Tage vor dem Kick. Am Spieltag selbst gibt es wohl Karten nur über Schwarzmarkt-Händler, Mitarbeiter des Fanshops schickten uns aber schon am Donnerstag in ein etwa 300 Meter entfernt liegendes, nicht weiter gekennzeichnetes Gebäude, wo wir für je 180 Renminbi (ca. 24 Euro) zuschlugen. Geht doch.

Pekings "zehn große Gebäude"

Am Spieltag selbst goss es dann wie aus Kübeln, grmpf. So ging es notgedrungen u.a. in den weltgrößten adidas-Store und von dort zu Fuß zum Arbeiterstadion. Das als "Workers' Stadium" ausgeschilderte Rund ist seit 1996 mit Unterbrechung (2005 bis 2009) die Heimat von Beijing Guoan. Irgendwie hätten wir ja lieber das Vogelnest als Spielort gehabt, was Guoan für die Zeit nach Olympia auch mal geplant hatte, dann aber wieder aus dem Deal ausstieg, weil das Ding schlicht "zu groß" sei. Hmm.

Fans von shanghai IPG
Das Arbeiterstadion fasst dagegen "nur" 66.161 Zuschauer und hat sogar einen Eintrag im Baedeker: Das Rund gehört zu den "Zehn Großen Gebäuden", die 1959 zum zehnten Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China fertiggestellt wurden. Schön ist es dennoch nicht, eher ein großer, unspektakulärer Zweckbau, der vor allem von seiner Geschichte lebt. 1993 fielen hier zahlreiche Leichtathletik-Weltrekorde, die über 3000 und 10.000 m der Frauen stehen bis heute. Und 2008 fand hier vor 52.968 Zuschauern das olympische Halbfinale zwischen Argentinien und Brasilien statt, das Argentinien u.a. mit Messi und Riquelme 3:0 gewann.

"Yulinjun" gibt den Ton an

Zum heutigen Spiel kommen immerhin 38.005 Zuschauer, aus Schanghai sind etwa 300 Fans angereist. Gleich zu Beginn gibt es Pfiffe gegen Guoan-Trainer Alberto Zaccheroni, steht der Meister von 2009 doch vor der Partie nur auf dem vorletzten Tabellenplatz. Vielleicht hätte der Klub ja doch wie so viele andere CSL-Vereine im Winter mit den Millionen um sich werfen sollen, so aber bleibt Renato Augusto der prominenteste Name. Viel zu sehen war von dem Ex-Leverkusener aber nicht...

Insgesamt sind im weiten Rund mindestens vier Fanblöcke auszumachen, die diesen Namen auch verdient haben. Teilweise werden zeitgleich verschiedene Lieder gesungen - ich werde es nie verstehen. Der wichtigste und größte Block findet sich auf Höhe der Mittellinie, wo die "Yulinjun" (etwa "Royal Army") seit 2005 den Ton angeben und, das nur nebenbei, das Freundschaftsspiel gegen Bayern München 2011 boykottierten.

Anzeigetafel im Workers Stadium
Heute steht zwar ein 08/15-Spiel auf dem Programm, aber die Stimmung ist überraschend gut. Zum Anpfiff dreht sich u.a. der komplette Block um und fuchtelt mit den Händen, hübsch anzusehen. Auch gesungen wird fleißig, Fahnen gibt's sowieso. Auffälligster der übrigen Fanblöcke ist schräg gegenüber eine etwa 400 Mann starke Gruppe, die komplett in Schwarz gekleidet ist, auch sonst keine Fahne o.ä. dabei hat, aber viel singt und ständig hüpft. Trotzdem ein komischer Haufen. Nun denn, am Ende gewinnt Guoan durch zwei Weitschusstore mit 2:1, und vorbei an einem in Reih und Glied aufgestellten Polizeiaufgebot geht es in Richtung Metro und ab ins Bettchen.

Nix da Tianjin

Womit wir beim Sonntag und dem oben erwähnten Kick in Tianjin wären. Nun, es hilft ja nichts, wir müssen gestehen, wir wurden wohl ein Opfer unserer Naivität. Im Glauben an den chinesischen Fortschritt vertrauten wir darauf, Zugtickets ohne Reisepass kaufen zu können. Leider ein Irrtum. Für eine Rückkehr ins Hotel reichte die Zeit nicht mehr, und so fiel der Kick für uns ins Wasser. Jaja, macht euch nur lustig :-) Das einzig Gute: In einer Stadt wie Peking kann man die Zeit auch auf andere Art sinnvoll nutzen - und das taten wir dann auch.

Am Montag ging es schließlich zur gut 70 Kilometer entfernten Mauer, ehe sich am Dienstag unsere Wege trennten. Auf dem Flug nach Frankfurt durfte ich immerhin meine A380-Premiere feiern, und im Gepäck war Länderpunkt 82. Geht doch.

Schals und Polizisten  Beijing Guoan Yulinjun  Chinesische Mauer in Badalin

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