Bilbaos futuristisches Guggenheim-Museum kennt fast jeder. Doch was die wenigsten wissen: Das weltberühmte Gebäude steht auf einem Flecken Erde, auf dem spanische Fußball-Geschichte geschrieben wurde. Denn genau dieses flache Gelände am Nervion-Fluss war einst als
Campa de Los Ingleses bekannt - als Engländerfeld also.
Der Name verrät es: Hier kickten vor über 100 Jahren jene Minen- und Werftarbeiter, die das Spiel von der Insel nach Spanien mitbrachten. Und die 1898 einen Verein mit dem englischen Namen
Athletic Club Bilbao auf den Weg brachten. Jenen Verein also, der noch heute unter diesem fremd anmutenden Namen spielt, und dessen Trikot seit über 100 Jahren die roten und weißen Streifen des FC Sunderland zieren.
"Baskische Gefangene nach Hause"
Kaum zu glauben also, dass Athletic heute für eine ganz andere Nationalität steht. Denn inzwischen repräsentiert der Klub die nach Eigenständigkeit strebenden Basken. Das wird schon am Stadion deutlich, auf dem stolz die baskische Fahne weht - neben der spanischen freilich. Und das manifestiert sich erst recht auf dem Platz, wo bekanntlich nur Basken spielen dürfen. Eigentlich ist es ein kleines Wunder, dass Athletic trotz dieser Einschränkung seit Gründung der Primera División 1928 noch nie abgestiegen ist.
Nicht wenige Athletic-Fans sehen im heimischen Stadion San Mames den entscheidenden Erfolgsfaktor. Jene Festung also, die unter Franco eine der Trutzburgen der baskischen Sprache war. In der allen voran das verhasste Real Madrid Jahr für Jahr einen schweren Stand hatte. Und in der Politik noch immer eine enorme Rolle spielt: Überall im Stadion finden sich Aufkleber mit Autonomie-Forderungen, mehrere Fans halten beim Einlaufen Plakate mit der Aufschrift "Euskal preso eta iheslariak extera" ("Baskische Gefangene nach Hause") in die Höhe.
Die neue Heimat wächst und wächst
Doch das nach dem heiligen Mamas benannte San Mames ist nicht nur ein politischer Ort, sondern auch einfach nur ein schönes Fußball-Stadion. Schon kurz nach der Eröffnung 1913 erhielt es den Beinamen "La Catedral", und seine wuchtige Haupttribüne mit dem charakteristischen Bogen (Arco) findet sogar in meinem Reiseführer Beachtung. Leider sind die Tage des ältesten Stadions Spaniens gezählt: In unmittelbarer Nachbarschaft entsteht derzeit das San Mamés Barria, das 2013 (oder doch 2014?) eröffnet werden soll.
Bis dahin kann man noch Fußball in einer beinahe englischen Intimität genießen. Für nur 15 Euro sitze ich fast auf Höhe der Grasnarbe - großartig. Vor 33.000 Zuschauern im 39.000 Mann fassenden Estadio lässt Athletic gegen den von 1000 Fans unterstützten Drittligisten nichts anbrennen. Nach dem mageren 0:0 im Hinspiel heißt es am Ende 4:0, wobei ein Tor schöner als das andere ist. (->
Highlights).
Damit war der Kurztrip nach Spanien auch schon wieder vorbei. Es bleibt einzig der Blick auf die Stadionmusik.
Die Setlist von Athletic Bilbao:
1. Martin Solveig - Hello. Die einen nennen es Kirmes-Techno, ich Gute-Laune-Ohrwurm. Groß!
2. Kate Perry - Hot N Cold. Die einen nennen sie sexy, ich nervtötend, überflüssig und schlecht.
3. Eminem feat. Rihanna - I love the way you lie. Ja, durchaus hörbar. Muss ich zugeben.
4. ??? - ???. Irgendwas Spanisches in die Ska-Richtung. Passte zu den süßlichen Gerüchen.
5. James Blunt - Stay the night. Auch wenn ich es mir jetzt mit allen potenziellen Schwiegermüttern verscherze: James Blunt ist schnulzige Schnulze.
Fazit: Echte Höhen und noch echtere Tiefen. Macht ne 3. Immerhin. Zum Gesamtstand.