Mit dem Stade du Pairay verbindet mich eine der bittersten Stunden meiner Fußball-Reisen. Es ist schon ziemlich viele Jahre her, das Flutlicht war bereits in Sichtweite, als mich mein klappernder, weil nicht korrekt verschlossener Kofferraum nervte. Also hielt ich an, öffnete den Kofferraum und knallte ihn zu.
Dumm nur: Der Schlüssel steckte noch im Kofferraum-Schloss und brach bei der Gelegenheit ab. Die eine Hälfte meines Schlüssels hielt ich in der Hand, die andere verstopfte das Schloss. Glaubt mir: Ich habe 30 Sekunden gebraucht, um die Situation zu begreifen. Und glaubt mir auch: Meine Eltern mit dem Ersatzschlüssel per Handy zu meinem Standort zu lotsen, war verdammt schwer. Fußball war jedenfalls Nebensache, zumal ich mein Auto nicht abschließen konnte.
Drei Ligen übersprungen
Aber das Stade du Pairay läuft ja nicht weg, und seit diesem Jahr ist es auch endlich wieder ein Zweitliga-Stadion. Was an einer ziemlich verworrenen, aber typisch belgischen Geschichte liegt: Fünftligist RFC Seresien wurde 2013 vom französischen FC Metz übernommen mit dem Ziel, möglichst schnell in die 2. Liga zu kommen. Da der sportliche Weg den Investoren aber zu mühsam war, suchte der Klub einen finanzschwachen Zweitligisten, deren Matrikelnummer mal eben übernommen werden konnte.
Der war im taumelnden
Royal Boussu-Dour Borinage schnell gefunden. Streng genommen wechselte Boussu nur den Namen und zog nach Seraing um, der Trainer und ein Teil der Spieler machten diesen "Wechsel" mit. Aber natürlich ist hier in Wahrheit einfach eine feindliche Übernahme gelungen. Boussou kaufte sich übrigens ebenfalls eine neue Stammnummer und spielt nun als Francs Borains in der vierten Liga. Verstanden soweit? Egal.
Stadion mit Geschichte
Immerhin: Seraing United - mal schauen, wie lange es dauert, bis der Klub wieder RFC Seresien heißt - drängt sogar nach mehr und liegt vor dem heutigen Spiel nach sieben Siegen in Folge auf Rang zwei. Die Fans, die den ganzen Quatsch offensichtlich anstandslos mitgemacht haben, freut es: Gut und gerne 1500 kommen heute, ein wenig gesungen und getrommelt wird auch. Etwas enttäuschend dagegen die nur etwa 40 Gäste aus Antwerpen, keine Ahnung warum der Besuch am heutigen Freitagabend so schwach war.
Das Beste am Spiel war ohnehin das Stadion: Das Stade du Pairay verfügt über vier Tribünen und eine theoretische Kapazität von 14.326. Aus Sicherheitsgründen sind aktuell aber nur die beiden großen Tribünen geöffnet, sodass nur 6744 Plätze zur Verfügung stehen, davon 1758 Sitzplätze. Die Hütte wurde 1906 erbaut und 1982 renoviert und weiß zu gefallen durch a) das fette Flutlicht und b) die vielen Stehplätze plus Wellenbrecher auf der Gegengrade. Doch doch, das taugt.
Noch mehr Vereine, noch mehr Chaos
Früher kickte hier auch einmal der inzwischen aufgelöste RFC Seraing, 1994 sogar vor ausverkauftem Haus im UEFA-Pokal gegen Dynamo Moskau (3:4). Und bis heute spielt auch der durch Jean-Marc Bosman bekannt gewordene Klub RFC Lüttich in der 4. Liga hier. Übrigens gab es auch mal den FC Seraing. Den Überblick verloren? Ich auch.
Bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt gab es ein eher mäßiges Spiel, in dem die Siegesserie der Gastgeber riss: Schnell hieß es 0:2, der Anschluss in der 80. Minute sorgte noch einmal für Spannung, doch am Ende blieb es bei der Heimniederlage. Gut möglich also, dass Seraing United der sofortige Aufstieg in die Erstklassigkeit noch verwehrt bleibt. Andererseit: Für einen vor wenigen Monaten noch fünftklassigen Verein wäre das vielleicht auch etwas arg vermessen...