Tijuana ist nicht Mexiko, heißt es oft. Was zweifellos stimmt. Denn wer für einen Tagesausflug von San Diego die Grenze überquert, der erlebt eine fast vollkommen auf die zahlungskräftigen Besucher aus den USA abgestimmte Großstadt.
Schon wenige Meter hinter der Grenze bieten fliegende Händler ihre Billigwaren feil, selbst die recht hübsche Avenida Revolucion im Stadtzentrum befindet sich ganz unter Kontrolle der Geschäftemacher. "My friend, wanna see my shop?" lautet hier der häufigste Satz - dicht gefolgt von "Looking for girls?". Ja, Tijuana hat einen schlechten Ruf, auch wegen der vielen US-Teens, die jedes Wochenende herüberschwappen, um legal Alkohol zu trinken.
Nervige Verkäufer und hässliche Hunde
Wer in Tijuana ein Stück "echtes" Mexiko erleben möchte, muss daher wohl entweder am Sonntagmittag einen Gottesdienst besuchen, oder aber zum Fußball gehen. Wir taten beides - ersteres allerdings eher aus Versehen. Denn nach dem problemlosen Überqueren der Grenze - nicht mal den Reisepass wollte jemand sehen - stolperten wir in die Catedral de Nuestra Senora de Guadalupe - natürlich zum falschesten Zeitpunkt. Also schnell umgedreht, durch ein paar Markthallen flaniert, noch einmal die Angebote auf der Revolucion ausgeschlagen und dann mit dem Taxi (ja ja, Anfänger, ich weiß...) zum Estadio Caliente.
Kurzer Exkurs: Kürzlich lernte ich ja
einen Iren kennen, der "Borussia Mönchengladbach" für den kompliziertesten Vereinsnamen der Welt hielt. Nun, nimm dies: Club Tijuana Xoloitzcuintles. Wenn das mal kein Zungenbrecher ist. Der geneigte Zoologe weiß natürlich: "Der Xoloitzcuintle (gesprochen: Scholoitz-kuint-li, kurz: Xolo) ist ein mexikanischer Nackthund". Und, sorry, so ziemlich das hässlichste Wesen auf diesem Planeten. Aber das Lieblingstier von Klubchef Jorge Alberto Javier Hank Inzunza und daher das Wappentier des Klubs. Wer so heißt, muss ja einen an der Waffel haben...
Ein Stadion im Wandel
Zumindest hat Herr Inzunza ein Fußball-Faible und will endlich die erste Liga nach Tijuana holen. Klubs wie Inter, Chivas und Nacional versuchten dies in "TJ" nämlich vergeblich und verschwanden schnell wieder von der Bildfläche - 2004 stand Tijuana sogar ganz ohne Klub da. Und was macht man in solchen Fällen: Klar, man kauft sich die Lizenz (in diesem Fall die von Guerreros de Tabasco FC) und ist im Handumdrehen wieder zweitklassig. Nur mit dem Aufstieg will es irgendwie nicht klappen. Vielleicht ja in diesem Jahr - immerhin sind die Xolos vor dem heutigen siebten Spieltag noch ungeschlagen.
Die Ambitionen der Xolos sieht man auch am Stadion: Das Estadio Caliente - was nicht mit den heute buchstäblich "warmen" Temperaturen, sondern mit dem Sportwettenanbieter Grupo Caliente zusammen hängt - befindet sich im Wandel. Den aktuell 13.333 Sitzplätzen wird auf den Längsseiten ein Oberrang aufgesetzt, am Ende soll das Ganze
so aussehen und Platz für 33.333 Menschen bieten (offenbar hat man in Tijuana nicht nur eine Vorliebe für komische Hunde, sondern auch für die Zahl 3...). Aber auch so ist der rote Allseater schon ganz nett anzusehen, auch wenn ich den Sinn von Kunstrasen in diesen Regionen nicht ganz verstehe.
Zwei späte Torpogos
Etwa 7000 Fans wollen das Spiel gegen die "Skorpione" sehen, etwa 20 davon drücken dem Team aus dem 1500 Kilometer entfernten Durango die Daumen. Der Support ist heute wohl eher Durchschnitt, weiß aber zu gefallen: Die Xolo-Anhänger singen durchgehend, hüpfen im Takt der Trommeln und verunglimpfen in schöner Regelmäßigkeit den gegnerischen Torwart. Zum Glück fallen in der 81. und 90. Minute auch noch zwei Tore (--> Video), was jeweils nette Torpogos zur Folge hat.
Für uns geht es zurück zur Grenze - deren Überquerung diesmal ein wenig länger dauert, letztlich aber erneut problemlos ist - und von San Diego aus für zehn fußballlose Tage durch den Südwesten der USA. Auf dem Programm: Staunen im Grand Canyon, Zocken in Las Vegas, Schwitzen im Death Valley und Wandern in Yosemite. Es geht schlechter.