Tromsö IL - Baerum SK 5:2 (Adeccoliga Norwegen, 16.5.2014)

Alfheim Stadion in Tromsö

Als "nördlichster Erstligist der Welt" hat es Tromsö IL zu einiger Bekanntheit geschafft. 350 Kilometer nördlich des Polarkreises, auf der Breite von Nord-Alaska, trotzt der TIL den widrigen Bedingungen und schafft es sogar regelmäßig auf die europäische Bühne. Ein "Muss für jeden Fußball-Vagabunden", schrieben unlängst die Kollegen vom Drohnbütel, die den Trip allen Ernstes mit dem Auto wagten. Wir zogen dennoch das Flugzeug vor, um uns diesen kleinen Traum zu erfüllen.

Anflug
Polarforscher, Walfänger, Abenteurer

Woran man merkt, dass es richtig hoch hinaus geht? Zum Beispiel daran, dass man drei Flüge in Richtung Norden benötigt, um ans Ziel zu kommen: Düsseldorf - Kopenhagen, Kopenhagen - Stockholm, Stockholm - Tromsö. Und daran, dass die letzte dieser drei Etappen die deutlich längste ist. Welch schönes Gefühl, als nach einem kurzen Nickerchen beim Blick aus dem Flugzeug-Fenster nur noch weißes Land zu sehen war. Und als beim Verlassen des Flughafens tatsächlich Schneeflocken vom Himmel fielen. Im Mai.

Alfheim von oben
Also mit dem Bus hinein in die Stadt, das einzig bezahlbare Hostel mit Dusche auf dem Gang für noch immer unverschämte 50 Euro pro Nacht bezogen, und ein wenig auf Erkundungstour gegangen. Jahrhundertelang war Tromsö Treffpunkt für Polarforscher, Walfänger und Abenteurer, wovon unter anderem das Polarmuseum, zahlreiche Denkmäler und die ungewöhnlich hohe Kneipendichte zeugen.

Heute ist Tromsö eine recht junge, moderne Stadt mit dem so ziemlich nördlichsten "Allem" der Welt: Universität, Kathedrale, Brauerei, Botanischer Garten und und und... Eben eine Stadt der Extreme.

Bengalos beim TIL
16. Mai als "Boxing Day"

Am Abend landete auch Sebastian, und nach einer Kostprobe des nördlichsten Bieres der Welt (ein Pint Mack für läppische 10 Euro...) ging es noch bei strahlendem Sonnenschein in die hier oben nur noch 35 Minuten dauernde Nacht, um am nächsten Morgen das Mietauto für die kommenden Tage abzuholen und am Abend endlich Tromsö IL zu besuchen. Schade einzig, dass TIL seit dieser Saison nur noch zweitklassig spielt, das Alleinstellungsmerkmal "nördlichster Erstligist der Welt" also verloren hat - und, ganz nebenbei, in der 2. Liga geographisch vom noch nördlicheren Alta IF übertroffen wird.

Tromsös Alfheim Stadion
Die Zuschauerzahlen beim "Stolz des Nordens" sind dennoch in Ordnung, zumal die direkte Rückkehr ins Oberhaus nach dem geglückten Saisonstart durchaus möglich scheint. Vor dem heutigen Spiel spekulierte der Klub sogar mit 5000 Interessierten, da der 16. Mai in Norwegen so etwas wie der "Boxing Day" ist: Am Vorabend des Nationalfeiertages wird traditionell gekickt, egal welcher Wochentag ist.

Daher reservierten auch wir uns zur Sicherheit zwei Tickets, was der freundliche Helfer bei Tromsö (O-Ton bei der Karten-Abholung noch vor dem ersten Satz: "Ihr seid bestimmt die Zwei aus Deutschland?" gleich mal dazu nutzte, uns mitten in den Fanblock der Isberget ("Eisbären") zu platzieren. Na, von mir aus...

Nördlichstes Europapokal-Stadion

Bengalos beim TIL
Am Ende kamen bei nasskaltem Wetter zwar "nur" 2863 Zuschauer, damit war die Partie aber noch immer die bestbesuchte der bisherigen norwegischen Zweitliga-Saison. Gäste hatte der aus der Nähe von Oslo stammende Aufsteiger Baerum SK leider keine mitgebracht, für Stimmung war dennoch gesorgt: Sowohl die Isberget als auch die gegenüber postierten Ultras waren gut aufgelegt, etwas überraschend wurden kurz vor Anpfiff sogar hoch offiziell ein paar Bengalos gezündet. Das Spiel leistete allerdings auch seinen Beitrag: 5:2 hieß es am Ende, und ein Tor war schöner anzusehen als das andere. Das war mal richtig gut!

Das Alfheim Stadion wurde 1987 eröffnet und fasst immerhin 6859 Zuschauer. Wenig überraschend ist es das nördlichste Stadion, in dem jemals Europapokal gespielt wurde - 1997 gewann Tromsö sogar im heftigen Schneetreiben 3:2 gegen Chelsea, verlor das Rückspiel aber 1:7. 2005 warf der Klub mal eben Galatasaray raus, und auch in dieser Saison darf Tromsö über die Fairplay-Wertung in der Europa League starten. Borussia, aufgepasst!

Isberget
"Ne Art Holzkiste" als Gästeblock

Immerhin drei Tribünen sind ausgebaut, wobei die beiden an den Längsseiten das Herzstück sind. Die "Familientribüne" hinter dem Tor bleibt dagegen verwaist, ebenso wie der benachbarte Mini-Mini-Gästeblock. Um noch einmal den Drohnbütel zu zitieren: "Ne Art Holzkiste, die zum Spielfeld hin offen ist und exakt fünf Stufen für seine Besucher bereit hält."

Nur der Regen/Sonnen-Schirm, den die HSV-Kollegen bestaunen durften, war aus der Mitte des Blocks verschwunden. Schade eigentlich, insgesamt ist das Alfheim sicher wenig spektakulär, aber doch recht schnuckelig. Und eben, genau, irgendwie ein "Muss für jeden Fußball-Vagabunden".

Nach dem wie erwähnt großartigen Spiel zog es uns den Hügel herab in den Hafen, um bei hellem Nachthimmel noch ein bis zwei überteuerte Biere zu trinken und dann schnell ins Bett zu hüpfen, ging es doch am nächsten Morgen hinüber nach Schweden.

Schließlich wartet auch dort ein geographischer Extrem-Klub.

Ultras bei Tromsö  Haupttribüne  Tromsö

Alfheim Stadion in Tromsö