Urawa Red Diamonds – Consadole Sapporo 1:2 (J-League, 6.10.2012)

Saitama Stadium der Urawa Red Diamonds

Die japanische Mentalität ist manchmal schwierig. „Das Gesicht verlieren'“ gilt laut Reiseführer für einen Japaner als arge Demütigung, peinliche Situationen seien daher „wenn möglich zu vermeiden“.

Fußmarsch zum Saitama Stadium

Was also tun, wenn am Flughafen in Tokio die nette Dame am Ticket-Schalter sichtlich damit überfordert ist, ihrem Computer eine Karte für ein Heimspiel der Urawa Red Diamonds zu entlocken? Danke sagen und umdrehen? Lieber nicht. Geschlagene 40 Minuten dauerte es am Ende, bis ich doch noch das gewünschte Ticket in der Hand hielt. Zeit verloren, aber Gesicht gewahrt. Na immerhin.

Auf den Spuren von Rahn und Köppel

Mit der 3500-Yen-Karte (35 Euro) in der Tasche ließ es sich zwei Tage später etwas entspannter aus Yokohama nach Saitama reisen, war die Zeit zwischen den Spielen mit „nur“ drei Stunden doch recht knapp bemessen. Mit Shinkansen, U- und S-Bahn ging es am Ende aber schneller als gedacht, und so spuckte mich die Metro am Bahnhof Urawa-misono gemeinsam mit unzähligen Reds-Fans pünktlich aus, um gemütlich die letzten Meter zum Saitama Stadium zu bewältigen.

Sapporo Ultras

Ziel: Die Urawa Red Diamonds, Klub zahlreicher deutscher Ex-Spieler (Rahn, Bein, Buchwald) sowie -Trainer (u.a. Köppel, Finke, nochmal Buchwald). Und der Verein mit den – angeblich – enthusiastischsten Fans Japans. Tatsächlich wird die Begeisterung der japanischen Ultras hierzulande gerne unterschätzt. Wahrscheinlich, weil das Land des Lächelns eher für ruhige Töne bekannt ist. Obdachlose heißen in Japan nicht Obdachlose, sondern "Menschen, die nicht nach Hause gehen können." Nur mal so als Beispiel.

Absteiger mit treuen Fans

Zumindest vor Anpfiff haben die Ultras aber kaum Gelegenheit, ihre Gesänge anzustimmen. In voller Lautstärke dröhnen Werbung und Musik – darunter Scooters „Fire“ und „House of Love“ von East 17, wie hübsch – aus den Lautsprechern. Ganz schön anstrengend. Es ist eine Erholung für die Ohren, als endlich die Aufstellungen bekanntgegeben werden. Natürlich auch mit viel Tam-Tam.

Fans der Urawa Red Diamonds

30.692 Zuschauer sind in das Saitama Stadium gekommen, darunter 2000 aus Sapporo. Was durchaus eine beachtliche Zahl ist: Am Wochenende vorher ist das abgeschlagene Schlusslicht Sapporo acht (!) Spieltage vor Saisonende bereits rechnerisch abgestiegen. Ob dies der Grund dafür ist, dass die „Sapporo Ultras“ 30 Minuten vor Anpfiff geschlossen den Block verlassen, kann nur gemutmaßt werden. Zum Anpfiff ist der Gästeblock jedenfalls wieder voll und singt aus voller Kehle – zwei Blockfahnen runden das überhaupt sehr gute Bild der Sapporo-Fans ab.

Sieben Minuten, ein Lied

Für die Heim-Fans scheint das heutige Spiel dagegen eher Standard zu sein. Was aber noch immer eine ausgesprochen gute Stimmung bedeutet: Viele unbekannte Melodien, durchgehender Support, unzählige Doppelhalter und Fahnen – doch, das ließ sich sehen (und hören). Alleine der erste, sehr schöne Gesang (--> Video), dauert stolze sieben Minuten! Keine Ahnung, wann ich das zuletzt in der Bundesliga erlebt habe.

Der Stand der Dinge

Völlig unerwartet entwickelt sich unterdessen das Spiel: Nach der Pause gehen die Gäste ebenso überraschend wie verdient 2:0 in Führung. Während die Sapporo-Fans ihr Glück kaum fassen können und eine Dauer-Party starten, sehen die Reds ihre Chance auf die Meisterschaft mehr und mehr schwinden. Mehr als der Anschlusstreffer gelingt dann auch nicht mehr, am Ende verlassen die Roten enttäuscht (aber ohne jeden Pfiff!) das Stadion.

WM-Halbfinale als Höhepunkt

Das Saitama Stadium ist das nach dem wenige Stunden zuvor besuchten Nissan Stadium zweitgrößte Stadion des Landes und eine der größten reinen Fußball-Arenen Asiens: 63.718 Menschen passen hier hinein, die meisten auf den beiden hoch geschwungenen Tribünen auf den Längsseiten. Hinter den Toren finden sich dagegen unüberdachte Sitzplätze, was heute nach der Pause für zahlreiche nasse Fans sorgt. Erbaut wurde die Arena für die WM 2002, wo hier drei Vorrundenspiele und das Halbfinale zwischen Brasilien und der Türkei (1:0) stattfand.

Durch den japanischen Regen geht es anschließend zurück ins Hotel und am nächsten Tag mit dem Shinkansen nach Kyoto. Dort gibt es zwar kein Fußball mehr, aber viele Tempel, kalkweiße Geishas und Stäbchen-Essen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Willkommen am Saitama Stadium  Tribüne der Reds  Geishas in Kyoto