Vancouver Whitecaps - Austin Aztexs 2:1 (USL First Division, 13.9.2009)

Das Swangard Stadium der Vancouver Whitecaps

Nichts verdeutlicht das Verhältnis der Nordamerikaner zum Soccer treffender als die Simpsons-Folge "Homer und der Revolver“. Halb Springfield hat sich im Stadion versammelt, um die Sportart mit dem "low scoring" und den ungewohnten "ties" zu verfolgen - und langweilt sich schon nach wenigen Sekunden zu Tode. Und während der mexikanische Reporter am Mikrofon trotzdem vor Begeisterung schier ausrastet, schläft US-Kollege Kent Brockman angesichts des öden Mittelfeld-Gekickes fast ein. Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen.

Szene in Hope, British Columbia
In zehn Stunden an den Pazifik

Doch es tut sich etwas in der Heimat von Eishockey und Football: Die Major League Soccer boomt immerhin schon seit 13 Jahren, die Zuschauerzahlen haben ein ordentliches Niveau erreicht, sogar Stadien nur für Fußball werden gebaut. Grund genug also, die Reise über den großen Teich zu wagen. Und sei es nur für ein Wochenende. Ziel: Vancouver, West-Kanada.

Zehn Stunden beträgt die Flugzeit bis an die Pazifik-Küste, am Freitagnachmittag ist die Zwei-Millionen-Metropole erreicht. Drei Tage gilt es nun sinnvoll zu nutzen, quasi auszuquetschen. Und da Kanada weit mehr zu bieten hat als Großstädte, geht es zunächst einmal hinaus ins weite Land. Am Abend ist Hope erreicht, dessen von steilen Bergen eingekesselte, aber dennoch etwas trostlose Kulisse einst Schauplatz für Rambo - First Blood war. Einen Riesen-Burger gegessen (Vorurteile wollen gepflegt sein), und nach 24 wachen Stunden endlich ab ins Bett.

Ausflug in die Berge

Der Samstag beginnt mit strahlend blauem Himmel und lädt zu Aktivitäten ein. Auch wenn es hier um Fußball geht, seien doch ein paar Highlights genannt. Etwa der Ausflug in den Manning National Park, wo wir zwar leider keine Bären zu Gesicht bekommen, dafür aber auf 2000 Metern Höhe einen grandiosen Rundblick über die Bergwelt. Oder die Fahrt durch das enge Fraser Valley bis hin zum "Hell's Gate", wo eine Gondelbahn hinab in die Schlucht des Fraser River führt und unzählige Lachse gegen die Strömung ankämpfen. Schade schade, aber am späten Abend geht es dann doch zurück nach Vancouver.

Aussicht im Manning National Park Die Skyline von Vancouver Achtung, Bären!

Am Sonntag klettert das Thermometer auf stolze 27 Grad - der heißeste 13. September in der Geschichte Vancouvers hält für uns etwas Sightseeing und am Nachmittag schließlich den eigentlichen Grund unserer Reise bereit: Fußball! Pardon: Soccer!

Fußballerisches Aushängeschild der Stadt sind die Vancouver Whitecaps. Die Caps, benannt sowohl nach den Schneegipfeln der umliegenden Berge als auch den Schaumkronen des Pazifiks, spielen aktuell in der USL First Division, also eine Liga unter der alles überstrahlenden MLS. 2006 und 2008 reichte es zur Meisterschaft - in der US-Logik bedeutet das freilich nicht den Aufstieg, dafür muss man schon hochoffiziell aufgenommen werden. 2011 ist es soweit, im Zuge einer Aufstockung werden die Weiß-Blauen das zweite MLS-Team Kanadas nach dem Toronto FC.

Das Swangard Stadion der Vancouver Whitecaps
Als Erstliga-Team werden die Whitcaps auch ins große BC Place Stadium umziehen, spätestens 2016 soll ein eigenes Stadion stehen. Bis dahin ist das 1969 eröffnete, vergleichsweise kleine Swangard Stadium im Vorort Burnaby die Heimat. Gerade 5300 Zuschauer passen hier herein: Eine ansehnliche Haupttribüne, gegenüber fünf auf die Tartanbahn gepflanzte Sitzreihen - das war's. Immerhin: Gegen die Austin Aztexs meldet Vancouver zum elften Mal in dieser Saison ausverkauft. Die zahlreichen freien Plätze, so erklärt man uns später, gehörten ferngebliebenen Dauerkarten-Inhabern. Denn die Play-offs haben die Caps schon vor dem heutigen vorletzten Saisonspiel erreicht.

"The most popular sport on the planet"

Unter den Zuschauern findet sich eine höchst bunte Mischung. Hinter einem Tor tummeln sich sogar etwa 30 aktive Fans, die singen, Fahne schwenken und den Gegner beleidigen. Typisch amerikanisch der Hinweis am Block-Eingang: "This Area is adult oriented and may not be suitable for children". Ebenso finden sich aber auch die recht ahnungslosen Zuschauer - wie die Frau neben uns, deren Freund erst die Abseitsregel erklären muss und wenig später die Folgen einer Roten Karte: "Nein, man darf nicht nach zwei Minuten wieder rein... Ja, da ist eine ziemlich harte Strafe".

Fan der Vancouver Whitecaps
Doch zunächst heißt es Hut ab und Hand aufs Herz: Nachdem der Stadionsprecher "the most popular sport on the planet" angekündigt hat, ist es Zeit für die Nationalhymnen - erst die US-amerikanische, dann die kanadische. Was sein muss, muss sein. Dann endlich geht es los. Nach 30 Sekunden vergeben die Gastgeber die Großchance zur Führung - es soll die einzige einer langweiligen ersten Halbzeit bleiben. Erst nach dem Seitenwechsel wird es spannend: Zunächst geht der Liga-Neuling aus Austin überraschend in Führung, verliert dann aber seinen Kapitän durch die oben erwähnte Rote Karte. Das vom Isländer (!) Teitur Thordarson trainierte Heim-Team wittert seine Chance und schafft durch Tore in der 80. und 86. Minute tatsächlich die Wende. Friede, Freude, Eierkuchen im Swangard Stadium.

"10W-10L-9D" gegenüber "5W-17L-8D"

Die Tabelle? Nun, lassen wir noch einmal die herrlich verschrobene US-Sportsprache zu Wort kommen: "Whitecaps improved their record to 10W-10L-9D. Austin ended their 30-match regular season schedule with a record of 5W-17L-8D." Alles klar?

Für uns heißt es noch einmal ab nach Downtown, ehe am Montag der Zehn-Stunden-Flug nach Deutschland folgt - der Abschluss eines ungewöhnlichen, aber unvergesslichen Wochenendes.

PS 1: Für die Freunde der DJ-Ötzi-Wertung sei gesagt: Es sorgte doch tatsächlich eine Live-Band (mit Klassikern wie I feel good oder Heard It Through The Grapvine für die musikalische Unterhaltung! Läuft außerhalb der Wertung, würde ich mal sagen.
PS 2: Die Höhepunkte des Spiels gibt es bei Youtube hier.

Nur für ErwachseneZuckerwatte in KanadaDas Swangard Stadium