Vorweg der bekannte Hinweis: Diese Tour hatte nichts mit Groundhopping zu tun, daher fällt dieser Bericht wieder etwas kürzer aus als gewohnt.
Peru - Dänemark 0:1 (16.6.2018)
Die WM kacke zu finden, ist ja ziemlich in. "FIFA, DFB, Nivea-Trainer, alles doof", heißt es dann immer. Alles durchaus verständlich. Ich halte trotzdem dagegen. Mal abgesehen davon, dass wir vom größten Ereignis in genau jener Sportart sprechen, die wir alle doch irgendwie ziemlich geil finden, ist die WM eben noch immer auch ein großes Fest. Ja, ein Fest.
Das machte sich schon auf dem Hinweg bemerkbar. Als im Flughafenbus zur Maschine von Moskau nach Saransk etwa 50 Peru-Fans lauthals anfingen zu singen - vom kleinen Kind bis zum älteren Mann, der in diesem Moment genau hier in Russland und nirgendwo anders sein wollte -, da machte sich die Kraft einer Fußball-WM bemerkbar. Und auch 10 Minuten später im Flugzeug, als der Chor auf 100 Peruaner angewachsen war.
Überhaupt, diese Peruaner. Gut und gerne 30.000 von ihnen wollten bei der ersten WM-Teilnahme seit 36 (!) Jahren mit dabei sein. Die Einwohnerzahl von Saransk, meiner Heimat für 16 Tage, wuchs kurzerhand um 10 Prozent. An allen Ecken und Enden standen und sangen Peruaner bei strahlend blauem Himmel, alle im gleichen Trikot, alle extrem gut gelaunt. Doch, die WM hat etwas. Oder besser: Sie kann, bei aller berechtigten Kritik, etwas haben. Etwas Großes.
Saransk also. Die Hauptstadt von Mordwinien, kleinste der 11 WM-Städte, freiwillige Heimat von Gerard Depardieu und unfreiwillige Heimat von Pussy-Riot-Mitbegründerin Nadja Tolokonnikowa, die in den Wäldern vor der Stadt in einem Straflager einsaß. Warum Saransk den Vorzug gegenüber Krasnodar erhielt, wissen wohl die wenigsten, zumal der heimische Klub weder erfolgreich (soeben gelang immerhin der Aufstieg in die 2. Liga...) noch besonders populär ist. Nun ja.
Kolumbien - Japan 1:2 (19.6.2018)
Perus WM-Rückkehr blieb leider erfolglos. Trotz der singenden und hüpfenden Fanmassen im Stadion (ca. 25.000 hatten ein Ticket ergattert, dem standen 800 Dänen gegneüber) jubelten am Ende die Europäer. Schade. Nur drei Tage später bot sich dann ein ganz ähnliches Bild: Diesmal dominierte das gelbe Kolumbien-Triokt, zwar nicht ganz so extrem wie zuvor das Peru-Shirt, aber doch sehr auffallend. Absolut beeindruckend.
Das Ergebnis war allerdings das gleiche: Wieder verlor das Team aus Südamerika, diesmal vor allem wegen einer frühen Roten Karte plus Elfmeter. Aus Japan waren die "Ultras Nippon" zwar in deutlich geringerer Anzahl erschienen, dafür aber durchaus lautstark. Und wie immer äußerst höflich: Die blauen Müllsäcke, die vor Anpfiff noch zu einer Art Choreographie aufgeblasen und über den Köpfen gehalten wurden, wurden nach dem Spiel zum Müll aufsammeln benutzt. Vorbildlich.
Iran - Portugal 1:1 (25.6.2018)
Es folgten fünf spielfreie Tage in Saransk. Ein wenig Freizeit zum Stadtbummel bot sich somit auch. Aber seien wir ehrlich: Drei Wochen Sommerurlaub wird niemand in Saransk verbringen. Okay, die Theodor-Kathedrale ist wirklich sehenswert, und insgesamt ist das Städtchen klein, übersichtlich und aufgeräumt. Aber wenn im Wikipedia-Artikel unter "Sehenswürdigkeiten" als erster von fünf Punkten der "Fernsehsendemast Saransk" aufgeführt ist, sagt das wohl alles.
Nach der kleinen Pause gaben sich Iran und Portugal die Ehre, wieder waren mehr als 40.000 Zuschauer da, die offizielle Angabe von 41.685 bedeutete sogar ausverkauft. Möglicherweise wollte halb Saransk einfach nur Cristiano Ronaldo sehen, Iran (ca. 8000) und Portugal (ca 1500) hatten jedenfalls nicht wahnsinnig viele Fans im Gepäck. Am Ende holte Portugal den noch fehlenden Punkt zum Einzug ins Achtelfinale, Iran dagegen schied aus.
Panama - Tunesien 1:2 (28.6.2018)
Der letzte Akt in Saransk war der, nun ja, sinnloseste. Sowohl WM-Debütant Panama als auch die Nordafrikaner hatten nach null Punkten aus zwei Spielen keine Chance mehr auf ein Weiterkommen. 37.168 Zuschauer kamen trotzdem und sahen imemrhin ein munteres Spiel. Am Ende durfte Panama sich über seine erste Führung in der WM-Geschichte, Tunesien über den ersten Sieg bei einer WM seit 40 Jahren freuen. Ist doch auch was.
Für Saransk endete damit das WM-Abenteuer auch schon wieder. Irgendwie ist es ja schon verrückt, für vier (!) Spiele so eine Arena ins Nichts zu bauen. In den kommenden Monaten soll die Mordwinien-Arena, so der offizielle Name, nun auf eine Kapazität von 25.000 zurückgestutzt werden. Was freilich noch immer viel zu groß ist für den FC Mordowija, der bislang im Stadion Start (11.000) spielte. Dessen Flutlichtmasten ragen übrigens in Sichtweite der neuen Arena in den Himmel, und ganz heimlich hatte ich auf irgendein sinnloses Testspiel dort gehofft, aber meine Wünsche wurden nich erhört. Schade.
Also dann: Die WM, ich kann sie einfach nicht doof finden. Beim besten Willen nicht.