Auch diese WM hatte nichts mit Groundhopping zu tun, daher fasse ich mich mal wieder kurz.
USA - Wales 1:1 (21.11.2022)
Die Boykott-Frage stellte sich mir erst gar nicht, also ging es elf Jahre nach der
Asien-Meisterschaft wieder nach Katar. Fünf Stadien waren damals im Einsatz - für die WM wurden dennoch sieben der acht Arenen neu gebaut. Eines der neuen Stadien - das gleich zum Auftakt besuchte Ahmed Bin Ali Stadium - steht zudem fast auf derselben Stelle wie sein
Vorgänger, aber zum Glück eben nur fast. Potenziell standen also sieben neue Ziele auf der Liste.
Zu Katar wurde unfassbar viel geschrieben, von meiner Seite nur so viel: Mein letzter Funken Wohlwollen für dieses Turnier wurde gelöscht, als die FIFA unmittelbar vor dem ersten Spiel vor dem Gastgeber kuschte und erst den Bier-Verkauf in Stadien (was mir prinzipiell natürlich recht egal ist) und dann die "One Love"-Binde verbat. Da ließ sich Gianni I. von den Scheichs mal schön am Nasenring durch die Arena schleifen und kuschte als Dank dafür auch noch demütig. Was für eine peinliche Farce.
Nur Draufhauen ist mir aber auch zu blöd, also sei erwähnt, dass dieses Turnier auch Spaß machte. Ja, ich kenne alle Vorgeschichten, aber ich traue mich dennoch, das zu sagen. Wer einmal mit singenden, argentinischen Fans in der Metro saß oder mit den tunesischen (!) Horden zum Stadion zog, wird mich verstehen. Oder die "Red Wall" der Waliser erlebte, die ein spätes Remis gegen die USA bejubeln durfte.
Dänemark - Tunesien 0:0 (22.11.2022)
Stadion-Liebhaber kommen in Katar voll auf ihre Kosten - eigentlich ragen an jeder Ecke Flutlichter in den Himmel. Bestes Beispiel für die Arenen-Dichte: Vom oben erwähnten Bin-Ali-Stadion ist es nur eine (!) Metrostation bis zum nächsten WM-Stadion, dem Education City Stadium. Irgendwie ein Wunder, dass bei bis zu vier WM-Spielen am Tag kein völliges Chaos in Doha entstand. Auch die mehr als 20.000 (!) Tunesier - was für eine Stimmung - fanden alle den Weg zum Stadion und wieder zurück.
Marokko - Kroatien 0:0 (23.11.2022)
Am weitesten von Doha entfernt liegt das Al-Bayt-Stadium in Al-Khor. Und was für eine Arena das ist! Einem Nomadenzelt nachempfunden passen dort 68.000 Mann rein, für mich das schönste der WM-Stadien. Unbedingt erwähnt werden muss aber: Auch beim Bau des Al-Bayt-Stadions kam es zu Menschenrechtsverletzungen und zur Ausbeutung von Arbeitern. Zum Spiel: Wohl niemand hätte beim Abpfiff gedacht, hier zwei Halbfinalisten des Turniers gesehen zu haben...
Uruguay - Südkorea 0:0 (24.11.2022)
Wieder ging es ins Education City Stadium, und wieder gab es ein 0:0. Grmpf. War aber auch schlecht, was die alten Männer aus Uruguay da auf den Rasen brachten...
England - USA 0:0 (25.11.2022)
Wieder das schöne Al-Bayt-Stadium - und wieder 0:0. Schon meine vierte Nullnummer in Folge bei dieser WM. Himmel hilf. Dabei hatte ich mir wirklich, wirklich viel von dieser Partie versprochen. Aber nicht einmal Joe Scally wurde eingewechselt...
Frankreich - Dänemark 2:1 (26.11.2022)
Ganz oben auf meinem Wunschzettel stand vor der WM das Stadion 974 - der Name bezieht sich auf die Zahl der 974 bunten Schiffscontainer, die verbaut wurden. Das sieht von außen schon recht nett aus. Wobei ich mich gefragt habe, welchen Sinn die Container haben - meiner Ansicht nach würde das Stadion auch ohne diese Verkleidung funktionieren. Egal. Weil die Arena nach der WM wieder abgerissen wird, war ein Besuch quasi Pflicht, und mit ein bisschen Geschachere klappte es auch. Und sogar die 0:0-Serie riss dank eines Doppelpacks von Herrn Mbappe!
Japan - Costa Rica 0:1 (27.11.2022)
Auch das Bin-Ali-Stadion stand nun zum zweiten Mal auf dem Zettel - man gönnt sich ja sonst nichts. Geboten wurde ein ganz, ganz schwaches Spiel mit einem überraschenden Sieger, der zuvor noch 0:7 gegen Spanien verloren hatte und nun dem DFB-Team das Tor zum Achtelfinale einen Spalt öffnete. Hansi Flick gefällt das!
Portugal - Uruguay 2:0 (28.11.2022)
Die protzigste Hütte der WM steht zweifellos in Lusail, was passenderweise auch ein ziemlich protziges, brandneues Örtchen ist. Es glitzert und glimmert quasi an jeder Ecke - die Parallelwelten in Katar sind einfach nur krass.
Golden schimmert von außen auch das Lusail Stadium (siehe auch Foto ganz oben), immerhin Schauplatz des Endspiels, von innen wiederum erschlägt einen die Wucht. Erst recht, wenn die Hütte wie heute mit 88.668 Zuschauern mal eben ausverkauft ist. Zu sehen gab es Ronaldos vermeintlich neuntes WM-Tor, was dann aber doch Bruno Fernandes zugesprochen wurde, und einen Regenbogen-Flitzer, der mehr Mut aufwies als alle Verbände und Spieler zusammen. Respekt.
Iran - USA 0:1 (29.11.2022)
Die Mutter aller Spiele! Naja, fast. Politisch und sportlich aber zumindest äußert brisant. Allein die Pressekonferenz vorm Spiel war denkwürdig, als US-Coach Gregg Berhalter Fragen zur US-Flotte im Persischen Golf und der Einreise in die USA mit einem iranischen Pass beantworten musste - und Kapitän Tyler Adams sich gar von iranischen Journalisten wegen der falschen Aussprache des Wortes "Iran" belehren lassen musste. Pfff.
Schauplatz war das Al-Thumama-Stadion in der Nähe von Dohas Flughafen, das mit seiner schönen Außenhülle überzeugt. Auf dem Rasen gab es das Do-or-die-Spiel: Der Gewinner erreicht das Achtelfinale, und in diesem Fall kam der Gewinner aus den USA. Fanden die Iraner nicht so gut, aber ich denke, das Land hat momentan wichtigere Probleme.
Australien - Dänemark 1:0 (30.11.2022)
Das Al-Janoub-Stadion zählt zu den kleineren WM-Stadien, nach dem Turnier soll die Kapazität sogar auf 20.000 Plätze halbiert werden. Auch hier wurde nicht gekleckert und ein echt hübsches Ding in den Sand gestellt. Das - übrigens verschließbare - Dach wurde den traditionellen Dau-Segelschiffen nachempfunden.
Innendrin gab es heute das stimmungsärmste Spiel der WM, das aber immerhin mit einer dicken Überraschung endete - durch einen gewissen Mathew Leckie. Sachen gibt's. Als der Schlusspfiff ertönte, erklang erst "Down Under" gefolgt von "Waltzing Matilda". Kann man machen.
Japan - Spanien 2:1 (1.12.2022)
Letzter Akt: Das Khalifa-Stadion - die einzige WM-Arena, die nicht neu gebaut wurde, sondern unter anderem schon bei der
Asien-Meisterschaft 2011 im Einsatz war. Ein wenig größer ist das Stadion zwar noch einmal geworden, aber das Erscheinungsbild ist quasi das gleiche - und zwar ein recht hübsches, wie ich finde.
Geboten wurde ein wahrlich würdiges Finale mit dem Klimax kurz nach der Pause, als Japan nach einer Millimeter-Entscheidung das 2:1 zuerkannt wurde - und damit Deutschland aus dem Turnier kegelte. Kein Witz: Um uns herum saßen japanische Fans, die hemmungslos heulten.
Und damit war das Turnier für mich dann auch beendet. Fazit: Alle acht WM-Stadien gesehen - zumindest aus dieser Sicht perfekt gelaufen (wenn es anders gekommen wäre, hätte ich das aber auch verkraftet....). Und: Wenn man die ganzen politischen Themen außen vor lässt, war diese WM sogar richtig gut. Aber eben nur dann.
Was mir in diesem Zusammenhang zu denken gibt: Argentinier, Mexikaner, Tunesier, sie alle fielen in Katar mit Heerscharen ein und feierten in und vor den Stadien eine Riesenparty. Die vielen, vielen abseitigen Themen - Menschenrechte, "One Love"-Binden und Co. - wurden in ihrer Heimat kaum diskutiert. Weil die zu doof sind? Oder sind wir doof? Wer macht es richtig? Sind wir zu sehr Oberlehrer? Ich weiß es nicht.
Was ich dagegen weiß: Bitte, bitte nie wieder eine WM in Katar. Vielen Dank.