Andorra - Armenien 0:3 (WM-Qualifikation, 12.10.05)

Das Estadi Comunal in Andorra 80.000 im Stade de France, 60.000 im Old Trafford, 35.000 an der Lansdowne Road - der letzte Spieltag der WM-Qualifikation lockte noch einmal die Zuschauer in die Stadien. Doch um Punkte gekickt wurde auch fernab von Massenandrang und Medienrummel.

Schon die Anreise in den Zwergstaat Andorra erweist sich als erste Herausforderung. Eingequetscht zwischen Frankreich und Spanien versteckt sich das Land inmitten der Pyrenäen auf einer Höhe von bis zu 2946 Metern. Erst 1913 wurde von spanischer Seite die erste befahrbare Straßenverbindung geschaffen, auf der französischen Seite geschah dies gar erst 1931. Viele Kurven durch ödes Gebiet und wie ausgestorben wirkende Wintersportorte führen heute in die Hauptstadt Andorra la Vella.

Vier Reihen, 1299 Sitze

Am Beginn der Avinguda Carlemany befindet sich dort der ganze Stolz der andorranischen Fußball-Nation: Das Estadi Comunal, das wohl kleinste Nationalstadion der Welt. Umrundet von steil aufragenden Bergen liegt der Sportplatz zwar äußerst idyllisch, erinnert mit seinen 1299 auf vier bunte Sitzreihen verteilten Plätzen jedoch eher an ein deutsches Verbandsligastadion.

Fans der armenischen Nationalelf 45 Minuten vor Anpfiff der Partie gegen Armenien deutet im kleinen Rund dann auch noch nichts auf ein WM-Qualifikationsspiel hin. Vor der einzigen geöffneten Kasse herrscht gähnende Leere, ins Innere haben sich noch keine zehn Fans verirrt, nicht einmal Musik dröhnt über die Lautsprecher. Einzig die Aufwärmübungen der Spieler lassen erahnen, dass hier und heute noch gespielt wird.

FIFA-Mitglied erst seit 1996

Andorra ist das jüngste europäische Mitglied der FIFA, gehört dem Verband erst seit 1996 an. In der aktuellen Weltrangliste liegt die Elf von Trainer David Rodrigo zwischen Kap Verde und St. Kitts & Nevis auf Rang 125, zehn Plätzen hinter dem heutigen Gegner. Größter Erfolg der Nationalmannschaft war der 1:0-Sieg am 13. Oktober 2004 gegen Mazedonien, der erste und bisher einzige Erfolg in einem Punktspiel. 'Unser Ziel besteht darin, stets einen moralischen Sieg zu erkämpfen. Dabei steht das Ergebnis für uns nicht im Vordergrund. Wir sind aber bestrebt, uns so teuer wie möglich zu verkaufen, viel mehr kann man von uns nicht verlangen', so die bescheidene Vorgabe von Coach Rodrigo.

Das Estadi Comunal in Andorra Auch gegen Armenien ist die Elf nur Außenseiter, zumal es im Hinspiel in Eriwan eine 1:2-Niederlage gab. An der Motivation der Hausherren ändert dies nichts. Ganz im Gegenteil: Als um 16 Uhr vor gerade einmal 400 Zuschauern der Anpfiff im Estadi Comunal ertönt, gehen die Andorraner gleich forsch ans Werk.

Kleine Auswahl im einzigen Kiosk

Ausgerechnet der Star der Mannschaft, Ildefons Lima vom italienischen Zweitligisten Triestina Calcio, erweist seiner Elf aber einen Bärendienst und fliegt wegen Schiedsrichterbeleidigung schon nach einer Viertelstunde vom Platz. Zu allem Überfluss unterläuft Oscar Sonejee in der 39. Minute auch noch ein Eigentor zum 0:1-Halbzeitstand. Die einheimischen Fans reagieren mit Achselzucken, die 30 Anhänger der Gäste sind noch beim Pausenpfiff schier aus dem Häuschen.

Zeit für eine Stärkung. Gedrängel am Kiosk kennt der Andorraner aus Mangel an Konsumenten nicht, den Brauch einer Stadionwurst allerdings auch nicht. Überhaupt beschränkt sich die Auswahl am einzigen Versorgungsstand auf alkoholfreie Getränke, das andorranische Pausenbier fällt somit aus. Die Halbzeit wird bei Cola und den mitgebrachten Brötchen überbrückt.

Andorra Schwarzgucker auf dem Campingplatz

Zu Beginn des zweiten Durchganges sind alle Zuschauer wieder auf ihren Plätzen, einschließlich der sechs 'Fremdseher' auf dem oberhalb des Stadions gelegenen Campingplatz. Zu sehen bekommen die Hartgesottenen nun eine Demonstration armenischer Spielkunst. Angefeuert von lautstarken 'Hajastan'- und 'Armenia'-Sprechchören nehmen die Brüder Ara und Aram Hakobyan das Heft in die Hand und stellen mit Toren in der 52. und 62. Minute den 3:0-Endstand her. Ein würdiger Schlusspunkt unter eine anstrengende und abwechslungsreiche WM-Qualifikation.

Fünf Minuten nach dem Schlusspfiff ist das Stadion bereits wieder geleert, der Fußball vorerst wieder ausgezogen. Da die nationale Liga - mit klingenden Namen wie Inter d'Escaldes oder FC Lusitanos - komplett im Stadion "Camp d'Esports d'Aixovall" ausgetragen wird, versinkt das Estadi Comunal wieder in seinen Donröschenschlaf. Bis zum nächsten Länderspiel, versteht sich. 400 Zuschauer werden auch dann wieder dabei sein. Minimum.

(Im Original für bundesliga.de)