U21-EM 2013 in Israel (6.-12.6.2013)

Strand in Tel Aviv

Israel ist ein großartiges Land. Aber manchmal auch ein wenig gewöhnungsbedürftig.

U21-EM in Israel
Das fängt schon in Deutschland an. Denn anders als 2008 ging es diesmal mit der israelischen Fluggesellschaft El Al in das Heilige Land - und die beginnt ihre enormen Sicherheitsvorkehrungen schon VOR dem Einchecken. Bevor ich überhaupt meinen Koffer loswurde, wartete ein 25-minütiges Interview durch drei verschiedene Personen auf mich. "Was wollen Sie in Israel?", "Warum haben Sie einen Stempel der Arabischen Emirate im Pass?", "Kennen Sie jemandem im Oman?", das "Übliche" eben, das ich eigentlich erst für die Einreise in Tel Aviv erwartet hatte. Am Gate folgte schließlich eine 15-minütige Untersuchung des Handgepäcks. Na, von mir aus...

Ein wenig gewöhnungsbedürftig ist allerdings auch Israel selber. Bestes Beispiel: Der Aufzug in unserem Hotel in Tel Aviv. "Knopf drücken" ist für viele Juden eine moderne Form von "Feuer entzünden" - und das ist am Sabbat verboten. Also wird, allen Ernstes, am Vorabend des Sabbat der Aufzug so programmiert, dass er einen Tag lang automatisch in jedem (!) Stockwerk hält.

Der Sabbat und die Aufzüge
Wie gesagt: Ich war schon in Israel, aber das war mir dann doch neu. Man lernt nie aus - aber dafür reist man ja.

Europa zu Gast in Asien

Aber Israel ist natürlich trotzdem ein hochmodernes Land. So modern, dass die UEFA sogar die U21-EM hierhin vergab - in ein Land also, das geographisch nicht einmal in Europa liegt.

Kritik an der Vergabe gab es aber aus anderen Gründen. Die UEFA belohne das "krasse und gesetzwidrige Verhalten" Israels, das Land könne so von der "illegalen Besetzung von Gebieten Palästinas" ablenken, hieß es in einem offenen Brief in der englischen Tageszeitung Guardian. Unterschrieben war er unter anderem vom südafrikanischen Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu und Ex-Profi Frédéric Kanouté.

Zurückgenommen hat die UEFA ihre Entscheidung, das Turnier in vier israelischen Stadien durchzuführen, freilich nicht. Also dann: Vorhang auf für das bislang wichtigste Sportereignis auf israelischem Boden.

Deutschland - Niederlande 2:3 (Vorrunde in Petach Tikwa, 6.6.2013)

Stadion in Petach Tikwa

Stadion in Petach Tikwa
Kaum gelandet, wartete auch schon das erste Spiel. Petach Tikwa liegt wenige Kilometer östlich von Tel Aviv, ist die Heimatstadt des Ex-Borussen Gal Alberman (und Partnerstadt von Meerbusch) und bedeutet übersetzt "Tor der Hoffnung". Die Hoffnungen der deutschen Mannschaft auf den Titel bekamen hier dennoch gleich zu Beginn einen empfindlichen Dämpfer.

Deutschland gegen Spanien in Israel
Der Gegentreffer in der 90. Minute war wohl der frühe Knackpunkt einer am Ende enttäuschenden EM. 7664 Zuschauer, darunter etwas mehr Oranjes als Deutsche, waren Zeuge des "besten Spiels auf U21-Niveau, das ich je gesehen habe" (England-Coach Stuart Pearce).

Das Stadion "Ha Moshava" in Petach Tikwa wurde erst im Dezember 2011 eröffnet und folglich nicht zuletzt für die EM gebaut, aber auch für die beiden Erstligisten Hapoel und Maccabi.

Die Anhänger beider Teams stritten prompt um den Namen der neuen Arena, am Ende fällte die Stadt ein salomonisches Urteil und benannte das nur auf zwei Seiten ausgebaute Stadion nach dem Spitznamen von Petach Tikwa: "Em HaMoshavot" bedeutet so viel wie "Mutter der Moschawa", was eine Siedlungsform ähnlich eines Kibbuz ist. 12.000 Zuschauer passen hier hinein, und besonders von außen sehen die beiden Tribünen schon recht nett aus.

Italien - Israel 4:0 (Vorrunde in Tel Aviv, 8.6.2013)

Zwei Tage und einen Besuch am großartigen Stadtstrand von Tel Aviv später rollte schon wieder der Ball. Das Bloomfield Stadium stand zwar schon 2008 auf meiner Liste, ist aber geringfügig modernisiert worden, und immerhin gab sich heute der Gastgeber die Ehre. Was eine fast volle Hütte bedeutete: 13.750 Zuschauer bedeuteten nahezu ausverkauft. Schade nur, dass schnell Ernüchterung einkehrte: Zu unterlegen war das Gastgeber-Team, das nach dieser Niederlage so gut wie ausgeschieden war.

Mehr zum Bloomfield findet sich im 2008er-Bericht, hier vielleicht nur noch mal der Hinweis auf die Namensgebung: Entscheidender Geldgeber war 1960 die Bloomfield-Stiftung, die einem kanadischen Juden gehört.

Das Stadion liegt - anders als die EM-Neubauten - mitten in der Stadt und zudem nur wenige Gehminuten vom Meer entfernt. Was besonders den Heimweg sympathisch machte: Eine Stunde lang an der Promenade lustwandeln, links das Meer, rechts Cafes, Hotels und Hütchenspieler - das hatte was.

Bloomfield Stadium in Tel Aviv  Italien - Israel 4:0 (Vorrunde in Tel Aviv, 8.6.2013)  Heimspiel für Israel

Deutschland - Spanien 0:1 (Vorrunde in Netanya, 9.6.2013)

Nur einen Tag später ging es von Tel Aviv aus die etwa 20 Kilometer gen Norden, um schon beim zweiten Auftritt der DFB-Junioren das "Endspiel" gegen den Titelverteidiger zu sehen. Netanya ist in Deutschland durch zwei Dinge bekannt: Die recht häufigen Anschläge, bedingt durch die 14 Kilometer entfernte palästinensische Stadt Tulkarm. Und durch Lothar Matthäus, der 2008/2009 den fünfmaligen israelischen Meister Maccabi Netanya trainierte. Übrigens gar nicht mal so unerfolgreich.

Netanya Stadium
Zu Matthäus' Zeiten spielte Maccabi noch im engen Sar-Tov-Stadion ("The Box"), im Oktober 2012 erfolgte der Umzug in das nicht zuletzt für die U21-EM neu gebaute Netanja-Stadion. Das liegt etwas südöstlich der Stadt und ähnelt ein wenig der Arena in Petach Tikwa, was vielleicht an der Architektengruppe liegt, die für beide Arenen verantwortlich war.

Positiv gestimmtere Stimmen fühlen sich angesichts der nur zwei Tribünen dagegen an Braga erinnert, was vielleicht ein wenig übertrieben ist. Auf den mit je zwei Rängen ausgestatteten, ganz in Blau gehaltenen Tribünen finden immerhin 13.800 Zuschauer Platz. Noch geplant ist angeblich ein Ausbau der beiden Hintertor-Seiten, was angesichts des Zuschauerschnittes in Maccabis Abstiegssaison 2012/2013 (5046) aber zumindest hinterfragt werden sollte.

Zum Gruppenspiel zwischen Spanien und Deutschland wird es wie erwartet voll: 11.750 Zuschauer erhoffen sich ein Spiel auf hohem Niveau, das es dann in der Tat auch gibt - allerdings nur von einer Seite. Besonders in der zweiten Halbzeit ist Spanien so haushoch überlegen, dass vielen Beobachtern nicht zuletzt beim DFB die Augen geöffnet werden. Das Spiel hat dann auch eine unmittelbare und eine mittelbare Folge: Zunächst einmal ist mit der Niederlage das vorzeitige Scheitern der deutschen Mannschaft nach der Gruppenphase besiegelt. Und zwei Wochen später muss Trainer Rainer Adrion nicht zuletzt wegen dieser Niederlage den Hut nehmen.

Stadion in Netanya  Aus für die U21 gegen Spanien  Zu Gast in Netanya

Deutschland - Russland 2:1 (Vorrunde in Netanya, 12.6.2013)

Stadion in Netanya
Das weiß Adrion freilich noch nicht, als es drei Tage später erneut in Netanya zum sportlich nahezu bedeutungslosen Spiel gegen Russland kommt - beide Teams haben null Punkte auf dem Konto, es geht einzig um die Ehre und den dritten Platz in der Gruppe.

Mit dabei ist übrigens wie bei den vorherigen deutschen Spielen ein kleiner Teil der deutschen Zaunfahnenmafia - die Mehrheit zogt wohl den USA-Trip der A-Nationalmannschaft vor. Die Anzahl der deutschen Fans in Israel würde ich auf etwa 150 tippen, lasse mich aber gerne verbessern :-) Mit dabei ab dem heutigen Tag auch die Borussen Alex und Markus, die ich aus dem Oberrang im Unterrang erspähe und immerhin durch wahrscheinlich selten dämlich aussehendes Winken auf mich aufmerksam machen kann. Ein Hauch von Gladbach in Netanya. Schön.

Auch auf dem Platz gibt ein Gladbacher vor 8134 Zuschauern den Ton an: Patrick Herrmann schießt nach dem Rückstand zunächst das 1:1 und holt dann einen etwas schmeichelhaften Elfmeter heraus, der am Ende den Siegtreffer bringt. Das versöhnliche Ende einer enttäuschenden EM - am nächsten Morgen geht es nicht nur für die Mannschaft, sondern auch für mich von Tel Aviv via Frankfurt in die Heimat. Schade.

Fazit: Israel ist und bleibt ein großartiges Land. Leider nicht für die deutsche U21.

Netanya Under21  Stadion / Netanya Stadium  Strand in Tel Aviv