Wer kann da schon Nein sagen: Läppische 257 Euro verlangte Aeroflot im November 2011 für die Strecke Rom-Tokio-Paris. Buchungsfehler? Sonderangebot? Ich weiß es bis heute nicht. Ich weiß nur: Ein Haken war nicht dabei. Also dann: Eine Woche Japan!
Höflich und hektisch
Mit Zwischenlandung in Moskau ging es in 13 Flugstunden ab nach Fernost in eine der hektischsten Städte der Welt. Nur so viel: Tokio ist ein großes Gewimmel von Menschen, Neonlichtern und Hochhäusern. Zwar ohne die Vielzahl an klassischen Sehenswürdigkeiten - die gab es später in Kyoto - dafür aber mit Kurzweile rund um die Uhr.
Tokio ist außerdem eine Stadt mit, das sei noch gesagt, äußerst höflichen Menschen. Menschen, die sogar dann eine Verbeugung andeuten, wenn sie an der Rolltreppe vorgelassen werden oder bloß nach der Uhrzeit gefragt haben. Übertrieben? Vielleicht. Aufgesetzt? Ganz und gar nicht.
"The City of the Final"
Fußball hat Tokio freilich auch zu bieten, auch wenn die Großklubs des Landes eher vor den Toren der Stadt beheimatet sind. So auch die Yokohama F Marinos, die aus der mit Tokio verschmolzenen Millionen-Metropole Yokohama stammen. Und die im größten Stadion des Landes spielen, dem 72.600 Zuschauer fassenden Nissan-Stadium, auch bekannt als International Stadium (WM 2002, Kahn, Ronaldo, ihr wisst schon).
Für die kurze Distanz nach Yokohama wählen wir den Shinkansen - der Turbozug ist zwar etwas teurer, hält aber in Sichtweite der Arena. "The City of the Final" steht am Bahnhof, und wenige Gehminuten später stehen wir dann auch am Schauplatz eben jenes WM-Endspiels. Zwei Stunden vor Anpfiff herrscht vor der Arena bereits eine Art Volksfest mit Liveband, Kinder-Animation und Fressbuden an jeder Ecke. Eine kleine Attraktion sind auch wir: "Are you Marinos-Fans?" werden wir von ein paar älteren Fans angesprochen, die sich über die weit gereisten Zuschauer freuen.
Text-Hilfe bei den Fan-Songs
Für 2600 Yen (26 Euro) gibt es ein Ticket für einen riesigen Block, der fast die Hälfte des Stadions umfasst und in dem freie Sitzplatzwahl herrscht. Was eine lobenswerte Idee ist, aber auch dazu führt, dass weit vor Anpfiff fast alle Sitzschalen mit Chips-Tüten, Schals oder ähnlichem reserviert sind. Sinn der Sache ist das sicher nicht. Egal, wir finden unsere Plätze und harren der Dinge, die da kommen.
Und die sind durchaus kurios: Zunächst verteilen mehrere Fans Zettel mit den Texten von Fangesängen, jeder "Support Song" hat dabei eine eigene Nummer. Hmm. Was etwas künstlich und überorganisiert wirkt, erweist sich später zumindest als keine so schlechte Idee, singen doch auch viele Fans auf der Gegengeraden mit. Dann erscheinen die Mannschaften, marschieren für eine kurze Verbeugung vor ihre Fankurve, und irgendwann gibt es zur Dröhn-Musik von Rammstein ("Du hast") die Aufstellungen.
Ein Hauch von Argentinien
36.412 Zuschauer sind gekommen, davon unterstützen gut 2000 den Tabellenführer aus Hiroshima. Zum Intro gibt es jeweils Blockfahnen, ehe beide Seiten einen wirklich beachtlichen Support hinlegen. Die Heimfans orientieren sich dabei über Zaunfahnen, Melodien und Banderolen klar an Argentinien, was über weite Strecken auch wirklich überzeugt (--> Video). Traut man den Japanern gar nicht zu :-)
Auch die Gäste sind nicht zu überhören, und so wird das Spiel zumindest auf den Rängen kurzweilig. Auf dem Rasen liefern sich der dreimalige Meister aus Yokohama (1995, 2003, 2004) und Spitzenreiter Yokohama dagegen ein dürftiges 0:0, selbst ein Elfmeter kurz vor Schluss reicht den "Flügels" (daher das "F" im Namen) nicht zum Sieg. Schade
Anschließend geht es im Sauseschritt zurück zum Bahnhof, um mit Shinkansen, U-Bahn und S-Bahn einmal quer durch Tokio nach Saitama zu fahren. Die Heimat der Urawa Red Diamonds also, die heute das Abendspiel der J-League bestreiten und nach Hiroshimas Patzer wieder Chancen auf die Meisterschaft haben.