Drei USA-Klischees, die nicht zutreffen:
1. Der Kaffee in den Staaten schmeckt nicht. (Meine größte Sorge! Aber: Stimmte zum Glück nur selten, im Großen und Ganzen war der morgendliche Koffein-Kick gesichert)
2. Die Freundlichkeit der Amis ist nur aufgesetzt. (In Restaurants etc., ok. Aber, ich hätte es auch nicht gedacht: Ich fand die Amis wirklich (!) nett, interessiert und neugierig)
3. Die Amis sind alle zu dick. (Klar gibt es Extremfälle. Aber die sehe ich auch, wenn ich in Deutschland mit dem Bus zum Hauptbahnhof fahre. Details wollt ihr gar nicht wissen...)
Drei USA-Klischees, die sehr wohl zutreffen:
1. Energiesparen ist ein Fremdwort. (Der Gipfel: Tiefkühltruhen im Supermarkt ohne Abdeckung! Von den unzähligen Klimaanlagen ganz zu schweigen)
2. Die Amis sind unfassbare Patrioten. (Beispiel: Morgens um 10 Uhr dröhnte über die Lautsprecher von Sea World die Nationalhymne, und alle Parkbesucher standen stramm)
3. Die MLS ist eine Operettenliga. (Spätestens nach vier Minuten der oben genannten Partie war klar: Das hier hat maximal Drittliganiveau)
Über London nach Kalifornien
Doch von vorne. Anders als noch
vor einem Jahr ging es diesmal nicht nur für Fußball über den großen Teich, sondern auch für ein wenig Urlaub. Der Plan: Drei Wochen USA, nur drei Spiele. Ja, "richtiges" Hoppen sieht eigentlich anders aus. Aber ganz ehrlich? Ist mir ziemlich wurscht.
Nach endlosem Aufenthalt in Heathrow und noch endloserem Flug erreichten wir San Francisco, wo wir gleich mal von der US-Realität eingeholt wurden: Zum Hotel in der Ellis Street ging es vorbei an der Armenküche der Stadt, entsprechend groß die Zahl der Obdachlosen mit ihrem Hab und Gut im Einkaufswagen. Schwer zu verdauen, diese Bilder, besonders wenn mal als europäischer Touri mit seinem prallen Köfferchen daherkommt.
Zwei verlorene Jahre im Lebenslauf
Dennoch: Während unserer vier Tage entpuppte sich SF - auch dank "Auswanderer" Markus, der an dieser Stelle gegrüßt sei - als absolut sehens- und lebenswerte Stadt, vielleicht sogar die schönste unserer Tour durch den Südwesten. Eigentlich fehlt Frisco nur eines: Ein vernünftiger Fußballverein. Den findet man erst einige Kilometer südöstlich im Silicon Valley, wo die San Jose Earthquakes ihre Heimat haben. Zumindest ihre postalische, denn gespielt wird im Buck Shaw Stadium auf dem Gelände der benachbarten University of Santa Clara.
Das Fehlen eines "vernünftigen" Stadions war es auch, das die Quakes beinahe die Existenz gekostet hätte. 2006 nämlich wurde die Lizenz mangels Perspektive kurzerhand nach Houston verkauft, nur die Rechte an Namen und Logo blieben in Kalifornien. Erst als die MLS zur Saison 2008 aufgestockt wurde und die Earthquakes endlich ein eigenes Stadion in Angriff nahmen, kehrte der Profifußball zurück. Bis zur Fertigstellung der eigenen Arena wird aber wieder einmal im Exil gekickt. Irgendwie bekloppt.
"Our fans love to hate anything Galaxy"
Auf dem Programm stand das "Derby" gegen Tabellenführer LA Galaxy, also durchaus ein brisantes Spiel. Und ein traditionsreiches dazu, wenn man denn in den USA davon sprechen kann: Bereits zum 46. Mal standen sich beide Rivalen in der MLS gegenüber, zum ersten Mal war dabei das Buck Shaw Stadium der Schauplatz. Grund: Bis 2005 kickte San Jose im Spartan Stadium, nach der Wiederbelebung fanden die Derbys bislang stets im größeren Oakland-Alameda Coliseum statt.
"That game is a top clash. Northern California and Southern California have a healthy rivalry across all sports. Our fans love to hate anything Galaxy", hatte uns San Jose vorher per Email mitgeteilt, als wir nach dem Start des freien Kartenverkaufs fragten. Der begann nämlich erst wenige Wochen vorher, und da machten wir uns doch ein paar Sorgen. Am Ende war das Stadion mit 10.799 Zuschauern dann auch ausverkauft, auch aus LA hatten etwa 500 Fans die Reise auf sich genommen.
Abhängige Fans und ein Stadion mit vielen Untermietern
Der kleine, aber feine Fanblock der Gastgeber bot dann auch eine ganz nette Hanfblatt-Choreo ("High on Quakes. We are addicted"), Spruchbänder auf italienisch sowie einige Doppelhalter und Fähnchen. Die meist in Trikots des heute verletzten David Beckham gekleideten Gäste verließen sich dagegen auf ihre Stimme. Allerdings gab es auch wenig zu bejubeln: Nach der obligatorischen Nationalhymne und einigem Tamm-Tamm (Feuerwerk etc) fing Galaxy sich schon nach vier Minuten das oben erwähnte selten dämliche Gegentor (
-> Video), und auch in der Folgezeit war das Niveau erschreckend schwach. Nein, Werbung für den US-Fußball war das sicher nicht.
Das gilt auch für das 1962 eröffnete Buck Shaw Stadium, das spür- und sichtbar nicht (nur) auf Fußball ausgerichtet ist. Bis 2005 spielten hier die Uni-Teams ("Broncos") aus Santa Clara sowohl Fußball, American Football als auch Baseball - eine höchst seltene Kombination, möchte man meinen. Während der WM 1994 trainierte hier zudem der spätere Weltmeister Brasilien wochenlang vor meist ausverkauftem Haus. Und, um auch die letzte noch offene Frage zu klären: Benannt wurde das Stadion nach Santa Claras ehemaligem Football-Coach, Lawrence T. "Buck" Shaw. Na dann.
Zwei Tage später übernahmen wir endlich auch unser Mietauto, und über den einfach nur schönen "highway number one" ging es gen Süden immer die Küste entlang bis nach Los Angeles.