"You look like a German scout", sagte der Trainer der NL Predators grinsend und hielt mir die Faust zum Gruß hin. Nun, mit der Herkunft hatte der gute Mann ins Schwarze getroffen, als er mich vor dem Anstoß anquatschte - wohl, weil ich der einzige Weiße im von Palmen umgebenen Rund war. Der Anlass meiner Anwesenheit war aber doch etwas schnöder - nach fünf Jahren sollte endlich mal wieder ein neuer Länderpunkt her.
Ort der Geschehens war das Karibik-Archipel St. Vincent und die Grenadinen, einst von Kolumbus entdeckt und heute bekannt für seine schwarzen Strände - der Vulkan Soufriere bricht gerne mal aus, zuletzt mussten im April 2021 immerhin 20.000 Menschen evakuiert werden.
Kreuzfahrt und Hoppen
Am heutigen Freitag war der Vulkan hinter einer Wolkenschicht verhangen, als unser Kreuzfahrtschiff einlief. Ja, richtig gelesen - ein Kreuzfahrtschiff. Abenteuerlich ging es also nicht gerade zu. Wobei: Zeit und vor allem Ort des heutigen Spiels herauszubekommen, war dann doch recht komplex. Erst am Mittag hatte ich Gewissheit, dass der Länderpunkt klappt.
Falls es sich jemand fragt: Die Konzepte Kreuzfahrt und Hoppen passen natürlich überhaupt nicht zueinander. Vor allem, weil null Flexibilität gegeben und ein Kick letztlich Glückssache ist. Beispiel: Auf St. Kitts ging ich drei Tage zuvor auf gut Glück zum Stadion, sah die Vorbereitungen für ein 18.00-Uhr-Spiel, musste aber abhauen, da um 18.00 Uhr Abfahrt war.
Brighton statt Kingstown
Heißt in Zahlen: Neun neue Länder kamen bei der Schipperei durch die Karibik hinzu, macht jetzt in der Summe 101, aber eben nur ein einziger Fußball-Länderpunkt - macht jetzt 87. Aber klar: Das war von Anfang an keine Hopping-Tour, auch wenn ich als wahrscheinlich einziger Passagier täglich nach Ansetzungen Ausschau hielt.
Um ein Haar wäre mit auch das Spiel in Sankt Vincent und den Grenadinen durch die Lappen gegangen. Mangels verlässlicher Spielpläne war es ähnlich wie auf St. Kitts mein Plan, zum Stadion in der Hauptstadt Kingstown zu latschen und zu hoffen. Zum Glück verriet der Verband aber gerade noch rechtzeitig auf Instagram, dass diesmal zwei Premier-League-Spiele im Örtchen Brighton ganz im Süden der Insel ausgetragen werden. Und, besonders wichtig: Die erste beginnt um 18.00 Uhr. Also Taxi geschnappt und nix wie hin da.
Bob Marley im Ohr
Der Taxi-Fahrer legte - natürlich - Bob Marley auf, und auch bei der Ankunft am Brighton Playing Field dröhnte Reggae in voller Lautstärke aus den Boxen. Direkt neben dem Spielfeld erstreckte sich ein dichtes Grün aus Palmen und sonstigen Gewächsen, auch das gefiel. Der auch als Brighton Technical Center bekannte Sportplatz dagegen weniger. Ein Verbandsgebäude, ein Hügel und ein paar Steinfundamente, die einmal eine Art Tribüne gewesen sein können - das war's.
Viel lässt sich nicht finden über den Spielort. Das wenige ist aber kurios: 2020 wurde der Platz umzäunt, weil die Hinterlassenschaften von Tieren zu viele Fliegen angezogen hatten und ein Gesundheitsproblem bestand. 2024 folgte das Flutlicht, das endlich Abendspiele wie das heutige ermöglichte. Bislang spielte die Premier League meist in der Hauptstadt Kingstown - zumindest laut Europlan hatte vor mir noch niemand sein Kreuzchen in Brighton gesetzt.
Zuschauer waren etwa 20 gekommen, dazu vier Hunde und ein paar Jungs, die auf zwei kleine Tore kickten - und mich natrlich ebenfalls ansprachen. Das ging dann so: "Hey, white man, where are you from" - "Germany" - "Oh, I have been in Germany, I have seen you there. Can I have a Dollar?". Ääähhh, nee.
Durch den Monsun
Vor dem Anstoß gab es einen kurzen, monsunartigen Regen, und dann wurde endlich gekickt. Auf besserem Niveau als gedacht und mit viel Gepöbel, sehr unterhaltsam alles. Für Detail-Freunde: Die North Leeward Predators aus Chateaubelair wurden immerhin zweimal Vizemeister, die natürlich in Blau spielenden Gäste Camdonia Chelsea aus Campden Park wurden 1998 erster Meister der neu gegründeten Premier League.
Und dann war es auch schon vorbei, und mein auf mich wartender Taxifahrer brachte mich im Rekordtempo zurück zum Schiff, wo bereits die Vorbereitungen zum Ablegen liefen.
Tschüss, St. Vincent, schön war es!